Entlastung klammheimlich gestrichen
GEW kritisiert Senatsbildungsverwaltung, zugesagte Entlastungsstunden für Grundschulen gekürzt zu haben
Die bereits zugesagten Entlastungsstunden für Grundschulen werden nun doch wieder gestrichen. Das wirft die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) der Senatsbildungsverwaltung vor. Eigentlich sollten den Schulen zu der einen bereits bestehenden Entlastungsstunde pro Woche sechs Stunden zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Entlastungsstunden sind zusätzliche Freistunden, die Lehrer für besondere Belastungen wie Schul- und Unterrichtsentwicklung bekommen. Im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag ist von »mindestens sechs Stunden für jede Grundschule« die Rede. Auch die letzte Verwaltungsvorschrift sah dies vor.
Die GEW kritisiert, dass die in den Sommerferien verabschiedeten Richtlinien, nach denen die Lehrstunden für die Schulen je nach Klassenstärke und Lehrerzahl berechnet werden, jetzt nur noch eine Entlastungsstunde mehr vorsehen. »Den Grundschulen so plötzlich die zugesicherte Entlastung zu streichen, kommt einem Wortbruch gleich. Schließlich haben die Schulen bereits fest damit geplant«, sagt Tom Erdmann, Berliner Landeschef der GEW.
Die Grundschulen seien dringend auf die Entlastungsstunden angewiesen. Angesichts von wachsenden Schülerzahlen, zusätzlichen Lerngruppen und immer mehr beruflichen Quereinsteigern seien die Grundschulen mit zunehmender Mehrbelastung konfrontiert. »Zum Schuljahresbeginn hatte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) eine deutliche Stärkung der Grundschulen angekündigt. Durch das Streichen der Entlastungsstunden mit einem Federstrich schwächt sie sie aber wieder«, kritisiert Erdmann. Dass der Senat den Grundschulen jetzt versprochen hat, eine weitere Entlastungsstunde zu genehmigen und die Zahl der Stunden in den kommenden Jahren schrittweise anzuheben, sei »Augenwischerei«.
Die Senatsbildungsverwaltung hält dagegen: »Es gibt keine Kürzungen. Es ist falsch, dass der Entlastungspool gekürzt wurde«, teilte Beate Stoffers, Sprecherin der Senatsbildungsverwaltung, auf Anfrage des »nd« mit.
Da die bisherige Entlastungsstunde erhalten bleibe und um eine weitere im kommenden Schuljahr ergänzt werde, könne man nicht von Streichungen sprechen. »Das ist eigentlich eine positive Nachricht, die wieder zerredet wird«, so Stoffers.
Bei der GEW hat man trotz allem Ärger Verständnis dafür, dass die Senatsbildungsverwaltung sich mit der angepeilten Anhebung der Entlastungsstunden offenbar politisch nicht gegen den Finanzminister durchsetzen konnte.
GEW-Landeschef Erdmann ärgert aber auch die Art und Weise, wie die Kürzungen kommuniziert wurden. Nämlich überhaupt nicht. Erst von Mitgliedern habe man über die neuen Pläne des Senats erfahren, die Zahl der Stunden nicht wie angekündigt anheben zu wollen. Der Hauptpersonalrat hatte nach eigener Aussage keine Gelegenheit, die Endfassung der Richtlinien vorab in Augenschein zu nehmen. So sei es in der Regel aber üblich.
Senatssprecherin Stoffers widerspricht: »Die bisherige Entlastung bleibt bestehen und wächst auf. Dies haben wir den Beschäftigtenvertretungen auch mitgeteilt.« Auf Anfrage der GEW, wo diese Mitteilung denn stattgefunden habe, verwies der Senat auf eine Unterredung mit Bildungsstaatssekretär Mark Rackles. »Auch nach mehreren Gesprächen mit den Personalvertretern konnte ich nicht herausfinden, wo und in welchem Rahmen Herr Rackles gesprochen haben will«, sagte hingegen GEW-Landeschef Erdmann.
Bereits zu Beginn des neuen Schuljahres Anfang September hatte die GEW den Senat dafür kritisiert, Grundschulen nicht ausreichend zu unterstützen. Eine Erhebung der Gewerkschaft hatte ergeben, dass die Hälfte aller befragten Grundschulen in Berlin zudem mit zunehmender Raumknappheit zu kämpfen hat. Während die durchschnittliche Schulklasse an einer Grundschule aus 22 Schülern bestehe, liege die Zahl an einigen Schulen teils deutlich darüber.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.