Protestkater in Hamburg

Staatsanwaltschaft eröffnet Ermittlungen gegen führende Köpfe der G20-Aktivisten / Jugendgruppe fordert Schadensersatz wegen Polizeieinsatz

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Verbot von Indymedia, zudem eine von AfD und CDU getragene Kommission gegen »Linksextremismus« in Sachsen-Anhalt, außerdem markige Worte von Innenminister Thomas de Maizière (CDU): Beobachter gingen davon aus, dass der politische Aktionismus gegen Links nach den Hamburger G20-Protesten im Juli dem Wahlkampf geschuldet war. Die Union versuche mittels einer symbolischen »harten Hand gegen Linksextremismus« der AfD potenzielle rechte Wähler wegzunehmen, so die Erzählung. Jüngst mussten Linke jedoch feststellen, dass auch nach der Wahl die Repressionswelle weitergeht.

Die Staatsanwaltschaft hat im Zusammenhang mit Randalen während der G20-Proteste Ermittlungen gegen zentrale Aktivisten der Hamburger Protesttage eingeleitet. Es gehe um den Vorwurf der Beteiligung oder der Anstiftung zum schweren Landfriedensbruch, sagte die Oberstaatsanwältin Nana Frombach gegenüber Medien. Die Ermittlungen betreffen einerseits Andreas Beuth, Anwalt der »Roten Flora«, und Andreas Blechschmidt, den Sprecher des autonomen Hausprojektes.

In Interviews hätten demnach beide unter Umständen Straftaten gebilligt. »Wenn wir angegriffen werden, (...) dann werden wir uns auch zur Wehr setzen mit Mitteln, die wir uns selbst suchen«, hatte Beuth etwa im Vorfeld der »G20 - Welcome to Hell«-Demonstration erklärt. Besagte Veranstaltung wurde nach wenigen Metern von Polizisten zerschlagen, weil sich Teilnehmer weigerten, ihre Vermummung abzulegen.

Andreas Blechschmidt äußerte vor den Protesten, dass es notwendig sein könne, »in der Auseinandersetzung bewusst auch Regeln zu überschreiten«. Im Nachgang distanzierte er sich jedoch von Randalen am Rande des Gipfels. Dabei habe es sich um »politische Verantwortungslosigkeit« gehandelt, erklärte er gegenüber Anwohnern. Die »Rote Flora« trage dafür keine Verantwortung, sondern sei für die Politik ein Sündenbock. Beuth sprach später ebenfalls von »sinnfreier Gewalt«. Beide machen hauptsächlich die Polizei für die Gewalttaten verantwortlich.

Auch Emily Laquer von der linksradikalen Organisation »Interventionistische Linke« (IL) ist von den Ermittlungen betroffen. Die Sprecherin der Demonstration »Grenzenlose Solidarität statt G20« rief im Vorfeld des Gipfels zu Blockaden auf. Aus Sicht der IL waren das aber Aktionen des zivilen Ungehorsams. Offenbar erstatteten Menschen aus Braunschweig und Bielefeld Strafanzeige gegen die Aktivistin. »Absurde Zeiten«, kommentierte Laquer. Laut Medienberichten wird noch gegen eine weitere Person ermittelt, deren Identität die Staatsanwaltschaft nicht veröffentlichen wollte.

Neben der Bekanntgabe der Ermittlungen gingen Polizisten in der vergangenen Woche erstmals auch gegen mutmaßliche Plünderer vor. Es seien 14 Objekte in Hamburg und Schleswig-Holstein durchsucht worden, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Anlass war die Verwüstung eines Computergeschäfts im Schanzenviertel während der Gipfeltage. Bei der Razzia seien sieben Smartphones gefunden worden, Festnahme gab es aber keine, so der Leiter der Sonderkommission »Schwarzer Block«, Jan Hieber.

Bis zu 170 Beamte ermitteln zeitweise in der Kommission. Man verfüge bereits über eine »zweistellige Terrabyte-Zahl an Daten«, darunter 25 000 Videos, erklärte Hieber auf einer Pressekonferenz. Über 7000 Dateien seien auf einem digitalen Hinweisportal der Polizei eingegangen. Eine Gesichtserkennungssoftware soll das umfangreiche Material durchforsten. Die Beamten gehen nach eigener Aussage von 5000 Verdächtigen bezüglich der G20-Proteste aus, in 2000 Fällen ermittelt die Sonderkommission bereits. Perspektivisch erwarte man, dass sich die Zahl noch auf 3000 erhöhe, so die Behörde. Den entstandenen Sachschaden schätzt die Polizei auf sechs Millionen Euro.

Eine Gruppe der sozialistischen Jugendorganisation »Falken« fordert derweil von der Stadt Hamburg 15 000 Euro Schadensersatz. Über 40 Jugendliche mussten mehrere Stunden in einer Gefangenensammelstelle verbringen und sich dort zum Teil nackt ausziehen. Ein Gericht hatte kürzlich festgestellt, dass die Ingewahrsamnahme rechtswidrig war.

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