Numerus clausus auf der Kippe
Bundesverfassungsgericht prüft Auswahlverfahren für Medizinstudium
Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht stellt die Zulassungsbedingungen für das Medizinstudium mit einer Konzentration auf die Abiturnote auf den Prüfstand. Im Mittelpunkt der mündlichen Verhandlung am Mittwoch stand die Frage, ob das derzeitige Verfahren mit dem Grundrecht auf freie Wahl des Berufs und des Ausbildungsplatzes sowie dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar ist.
Der Vorsitzende des Ersten Senats, Ferdinand Kirchhof, fragte eingangs, ob die Abiturnote in einem föderal differenzierten Schulsystem dafür überhaupt aussagekräftig sei. Hintergrund des Normenkontrollverfahrens sind Klagen von zwei Bewerbern für das Studienfach Humanmedizin vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Die Richter dort halten Teile der Regelungen für verfassungswidrig, weil viele Bewerber von vorn herein ausgeschlossen seien. Für die Vergabe von Studienplätzen mit Numerus clausus ist die in Dortmund ansässige Stiftung für Hochschulzulassung zuständig.
Aktuell werden 20 Prozent der Studienplätze nach Abiturnote vergeben, 20 Prozent nach Wartezeit und der Rest in einem Auswahlverfahren an den Hochschulen, bei dem auch die Abiturnote eine große Rolle spielt. Bei der direkten Vergabe nach Notendurchschnitt sei heute ein Wert von 1,0 bis 1,2 erforderlich. Nach Kirchhofs Angaben drängen sich aktuell fast 62 000 Bewerber auf knapp 11 000 Ausbildungsplätze. Im Wartezeitverfahren dauert es 14 bis 15 Semester bis zur Zulassung.
Das Gelsenkirchener Gericht hält Wartezeiten, die die Regelstudienzeit überschreiten, für verfassungswidrig. Der Bevollmächtigte der beklagten Stiftung für Hochschulzulassung, Max-Emanuel Geis, stellte das infrage. Ein System, das Optimierungsbedarf habe, sei nicht automatisch verfassungswidrig.
In der Verhandlung kam von mehreren Seiten die Anregung, den Anteil von Tests auszuweiten. »Wir sind dafür, in einem zentralen Test die menschlichen, empathischen und ärztlichen Fähigkeiten zu prüfen«, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery. In Hamburg gibt es nach Angaben des Universitätsklinikums Eppendorf bereits gute Erfahrungen mit Interviews. Bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vergehen in der Regel mehrere Monate. dpa/nd
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