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Veruntreuung mit Konsequenzen

Marine Le Pen darf bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich 2027 höchstwahrscheinlich nicht antreten

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.
Marine Le Pen verlässt nach dem Urteil den Gerichtssaal.
Marine Le Pen verlässt nach dem Urteil den Gerichtssaal.

Dreimal war Marine Le Pen bereits Kandidatin für den Posten des Staatspräsidenten. Während es 2012 nur für den dritten Platz reichte, konnte sie sich 2017 und 2022 für die Stichwahl qualifizieren, bei der sich dann aber beide Male Emmanuel Macron durchsetzte. Für die nächste Präsidentschaftswahl 2027 wurden der Politikerin des rechtsextremen Rassemblement National gute Chancen ausgerechnet, doch nun dürfte es ganz anders kommen.

Denn am Montagvormittag hat ein Gericht in Paris Marine Le Pen und weitere acht Europaabgeordnete ihrer Partei verurteilt, weil sie das Parlament um 4,5 Millionen Euro betrogen haben, indem sie Politiker und Mitarbeiter der Partei als Assistenten von Abgeordneten deklariert und für sie die Gehälter kassiert haben. 24 Personen – acht Abgeordnete, 12 Assistenten sowie juristische Berater und administrative Mitarbeiter von RN – wurden der Beihilfe schuldig gesprochen.

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Marine Le Pen als Führungsperson der RN-Europaabgeordneten wurde zu vier Jahren Gefängnis, davon zu zwei Jahren auf Bewährung und zu zwei Jahren mit »Hausarrest« sowie zu 100 000 Euro Geldstrafe verurteilt. Doch vor allem darf sie fünf Jahre lang nicht für ein öffentliches Wahlamt kandidieren, was den Traum vom Elysée in weite Ferne entschwinden lässt. Schon vor Wochen, gleich nach dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft, hatte Le Pen, die nun seit 2017 in der Nationalversammlung sitzt, angekündigt, dass sie gegen das Urteil Berufung einlegen werde.

Früher hätte das eine aufschiebende Wirkung für die Umsetzung des Urteils gehabt. Doch inzwischen hat das Parlament mehrere Gesetzesänderungen beschlossen, die zu mehr Transparenz im politischen Leben führen und sichern sollen, dass Abgeordnete und andere Inhaber eines öffentlichen Amtes in jeder Hinsicht unbescholten sind.

Zu den Verschärfungen des Gesetzes gehört die Möglichkeit, bei einer Verurteilung zum mehrjährigen Verlust des passiven Wahlrechts zu entscheiden, diese Strafe sofort anzuwenden, also ungeachtet eines eventuellen Einspruchs. Das sei gerechtfertigt, weil »Wiederholungsgefahr« bestehe und »die öffentliche Ordnung gefährdet« sei.

In ihrer Urteilsbegründung wies die Vorsitzende Richterin nach, dass Marine Le Pen über viele Jahre mit einer »Bereicherungs-Strategie« das von ihr bei jeder Gelegenheit angeprangerte »System« zum Nutzen ihrer Partei ausgeplündert hat. Das Rassemblement National wurde zu einer Geldstrafe von zwei Millionen Euro verurteilt, von denen eine Million zur Bewährung ausgesetzt wird, sowie zum Schadenersatz an das Europaparlament in voller Höhe des verursachten Schadens.

Während einzelne RN-Politiker nach der Urteilsverkündung von einer »politischen Guillotine«, sprechen, die Marine Le Pen »ausschalten und mundtot« machen solle, erklärte der stellvertretende Parteivorsitzende Louis Aliot trotzig: »Das wirft uns nicht um. Unsere elf Millionen Wähler verfolgen das sehr aufmerksam und sie werden ihre Schlussfolgerungen daraus ziehen.« Es sei kein Geheimnis, dass für den Fall, dass Marine Le Pen 2027 nicht kandidieren kann, der Parteivorsitzende Jordan Bardella an ihre Stelle tritt.

Während nun nicht nur RN-Politiker über eine »politische Justiz« klagen, über eine Konfrontation von Justiz und Demokratie und darüber, dass »Richter den politischen Willen von Millionen Wählern aushebeln«, erklärt die Kommunistische Partei: »Die Justiz hat entschieden und ihr Spruch gilt für alle. Niemand steht über dem Gesetz. Die Justiz darf keinen Unterschied machen zwischen den Mächtigen und den einfachen Bürgern.«

Das sei ein unerschütterliches Fundament und eine Garantie der Demokratie, wird in der FKP-Erklärung hervorgehoben und weiter festgestellt: »Die Gewaltentrennung muss respektiert werden und die Institutionen der Republik müssen frei von jeglichem politischen Druck funktionieren.« Das Urteil über Marine Le Pen und ihre Komplizen sei keine politische Entscheidung, sondern nur die Erinnerung daran, dass vor dem Gesetz jeder gleich ist und dass Amtsinhaber wie gewählte Vertreter des Volkes Vorbilder sein sollten.

Marine Le Pen selbst hatte 2013 in der öffentlichen Debatte um die Steuervergehen des sozialistischen Budgetministers Jérôme Cahuzac gefordert, politische Persönlichkeiten sollten für Korruption und Steuerbetrug, aber auch für Amtsmissbrauch und fiktive Beschäftigung nicht nur zu Haft und Geldstrafen verurteilt werden, sondern auch auf Lebenszeit das Recht verlieren, für ein öffentliches Amt zu kandidieren. Jetzt wurde Marine Le Pen von ihren eigenen Worten eingeholt.

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