Für die Allgemeinheit in die Offensive

Simon Poelchau hält die Schaffung eines Staatsfonds samt sozialer Dividende für eine gute Idee

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

Umverteilen ist wichtig. Umverteilung ist notwendig. Wer tatsächlich noch den Anspruch hat, eine solidarische Gesellschaft für alle zu schaffen, der kommt über kurz oder lang nicht daran vorbei, die Frage nach einer gerechten Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums zu stellen, um dafür die Basis zu schaffen. Leider gab es bereits 2013 einen Umverteilungswahlkampf, der mit dem großen Versprechen einer Vermögensteuer und -abgabe gestartet war, bei dem am Ende aber lediglich Mindestlohn und Rente mit 63 herauskamen. Das große Versprechen sozialer Gerechtigkeit kam dieses Mal deswegen vielleicht auch als ein leeres daher.

Vielleicht ist es aber auch nicht nur die Frage, wie wir den einen etwas nehmen können, damit die anderen mehr bekommen, die gestellt werden muss. Vielleicht muss auch die Frage gestellt werden, wie wir alle zu gleichen Teilen wieder mehr haben. Denn Jahrzehnte der Privatisierung haben dazu geführt, dass sich die verstaatlichte Allgemeinheit aus großen Teilen der Wirtschaft immer mehr zurück gezogen hat. Eine Idee, die deshalb diskutiert werden sollte, ist die des bedingungslosen Kapitaleinkommens, das zuletzt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) kurz vor der Wahl ins Spiel brachte. Es schlug dabei die Gründung eines Staatsfonds vor, in dessen Rahmen Wertpapiere und Unternehmensanteile gekauft werden. Langfristig soll so eine soziale Dividende an alle ausgezahlt werden können.

Kling unrealistisch? Ein Blick gen Norden zeigt aber, dass es sogar ein recht erfolgreiches Konzept ist. Der norwegische Nationalfonds ist mittlerweile eine Billion US-Dollar schwer. Gegründet wurde er 1967 mit dem Ziel, die Sozialbeiträge möglichst gewinnbringend anzulegen. 1990 kam noch der Ölfonds hinzu, in den die Einnahmen aus der Erdölförderung fließen. Mittlerweile hält Norwegen so 1,3 Prozent aller weltweit gehandelten Aktien in seinen Händen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres machte der Fonds eine Rendite von 6,5 Prozent.

Das Gute daran ist, dass diese Profite prinzipiell der Allgemeinheit zukommen. Schließlich hat das Kapital in einer zunehmend ungleicher werdenden Gesellschaft es an sich, dass es sich in den Händen einiger weniger konzentriert, weil eben nur die Reichen nennenswert sparen können und so nur sie in den Genuss von Dividenden kommen. Die Mittel- und Unterschicht schafft es hingegen fast nicht zu sparen.

Der Clou an dem IMK-Vorschlag ist jedoch, dass ein Staatsfonds nicht nur wachsender Vermögensungleichheit entgegengewirkt, sondern dass er auch auf der Schaffung von Vermögen für die Allgemeinheit beruht. Dies hat gegenüber den gängigen Umverteilungsinstrumenten einen Vorteil: Kapital führt nicht nur zu Profit, es führt auch zu ökonomischer Verfügungsmacht. Wer die Macht über die Produktionsmittel hat, hat auch die Macht zu entscheiden, wie sie eingesetzt werden. Und mit der Schaffung eines Staatsfonds würde so Verfügungsgewalt über Unternehmen von den Händen einiger weniger Privatpersonen in die Hände des Staates gebracht werden - und somit zumindest prinzipiell der Allgemeinheit wieder zugeführt. Es wäre sozusagen auch ein Schritt hin zu mehr Wirtschaftsdemokratie.

Natürlich bedeutet es nicht automatisch Gutes, wenn der Staat seine Finger bei Unternehmen mit im Spiel hat. In Deutschland ist die öffentliche Hand sogar meist in klima- und umweltpolitisch ziemlich dreckige Angelegenheiten verwickelt. So etwa bei Volkswagen, wo das Land Niedersachsen beteiligt ist, oder beim Energiekonzern RWE, der zu rund einem Viertel in der Hand von kommunalen Aktionären ist. Insofern reicht es nicht aus, einfach die Unternehmen in die öffentliche Hand zu geben. Es braucht auch eine nachhaltige, gerechtere Form des Wirtschaftens. Dass dies durch einen Staatsfonds gefördert werden kann, zeigt aber ebenfalls das Beispiel Norwegen. Der Fonds wird nämlich auch nach ethischen Kriterien gesteuert. Waffen- oder Tabakhersteller kriegen von ihm kein Geld. Auch für große Kohlekonzerne hat er keinen müden Cent mehr.

Insofern wäre ein Staatsfonds samt sozialer Dividende vielleicht ein neues Projekt für die Linke - auch wenn es gerade eher schlecht für sie aussieht. Schließlich schwingt in dieser Idee als utopisches Plus zumindest in weiter Ferne noch eine solidarische Gesellschaft für alle mit. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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