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Heckmeck im Bombonera
Die Südamerikaqualifikation bleibt chaotisch spannend - Argentinien droht weiterhin das Aus
Nach dem vorletzten Spieltag der WM-Qualifikation des südamerikanischen Fußballverbands CONMEBOL hat sich Uruguay nach einem diskreten und eher glücklichen 0:0 im venezolanischen San Cristóbal aufgrund des Torverhältnisses so gut wie sicher als zweites Team nach den Klassenstrebern aus Brasilien für die WM in Russland qualifiziert.
Doppel-Amerikameister Chile machte einen Satz auf Rang drei, muss jedoch am Dienstag in São Paulo gegen Brasilien antreten. Ecuador sagte seinen WM-Träumen adé, Paraguay ist zurück im Ring und das Kolumbien von Néstor Pekerman ist der große Verlierer des Spieltags. Die »WM vor der WM« bleibt Hochspannung pur!
In Buenos Aires kam es zum als »Jahrhundertmatch« stilisierten Vergleich zwischen Vizeweltmeister Argentinien und Peru. Während die Peruaner sensationelle »Eliminatorias« (wie die WM-Qualifikationsspiele in Südamerika heißen) gespielt hatten, waren dieselbe bei den Vizeweltmeistern sensationell schlecht ausgefallen, was sich auch darin manifestierte, das mit Jórge Sampaoli bereits der dritte Trainer an Bord ist.
Im Vorfeld gab es viel Heckmeck. Der argentinische Fußballverband AFA hatte das Spiel kurzerhand vom hauseigenen Tempel, dem Stadion von River Plate, in das Stadion von dessen Erzrivalen Boca Juniors verlegt. Der peruanische Fußballverband FPF protestierte ad hoc bei der FIFA - ohne Erfolg. 50 Prozent (so sehen sich die Anhänger Rivers selbst) waren also mächtig sauer, schließlich ist der 1. Vizepräsident der AFA zufällig Bocas Vereinspräsident Daniel Angelici. Die Verantwortlichen von River Plate und San Lorenzo, die international erfolgreichsten Klubs Argentiniens in letzter Zeit, waren beim Postenschacher der neuen AFA hingegen gar nicht erst berücksichtigt worden. César Luis Menotti, Weltmeistercoach von 1978 , mischte sich ein und merkte an, dass er bei der Argentinien-WM auch gerne alle Spiele in der »Bombonera« bestritten hätte, die heutige Chose aber kein einziges Problem der aktuellen »Selección« löse.
»Todo Sport« aus Lima hatte schon am Mittwoch geschrieben, die peruanische Auswahl sei »in die Hölle« abgereist: »Noch ein Tag bis zum Krieg!«. In der Capital Federal, der argentinischen Hauptstadt, leben 200 000 Peruaner. Als der argentinische Trainer Ricardo »Tigre« Gareca mit Perus Elf am internationalen Flughafen in Ezeiza ankam, waren 10 000 Fans dort und feierten jene Truppe, die sich anschickt, zum ersten Mal seit dem Turnier 1982 in Spanien wieder eine WM-Endrunde zu erreichen.
Am Donnerstag dampften im Stadtteil »La Boca« die Chorizo-Stände. Ein wundervoller Frühlingstag in Buenos Aires, Euphorie und Chaos gingen Hand in Hand. Der einzige Argentinier, der die Hymne mitsang, war Tormann Sergio Romero. Hinter der Kalklinie stand Argentinien-Trainer Jorge Sampaoli mit feuchten Augen, die Kapitäne Messi und Guerrero wimpelten. Dann nahm Keeper Romero seinen Platz vor der Gästetribüne ein. Sampaioli marschierte an der Seite auf und ab. Böse Zungen nennen ihn einen »Bruder im Geiste« von Christoph Daum.
Nach 20 Minuten Neuigkeiten aus Santiago: Chile führte im Stadion von Colo Colo gegen Ecuador - nicht gut! Argentinien rannte nun planlos an, Peru versuchte zu kontern. Ansonsten ein Hauen und Stechen wie es im Handbuch steht. Eine Viertelstunde später schlief Mascherano, beinahe lochte Farfán für Peru ein. Die Argentinier wirkten erschöpft. Alles nervös, zerfahren aber immerhin stets mit dem Herz in der Hand. Vor und nach dem Seitenwechsel hatte Argentinien vier Hundertprozentige. Aber warum den Ball reinschießen? Ist man doch gar nicht mehr gewohnt!
In der Folge wurde Perus Tormann Pedro Gallese, der bei Veracrúz in Mexiko arbeitet, mit hervorragenden Paraden zum Mann des Abends. Argentiniens Fernando Gago hingegen ging, gerade eingewechselt, nach nicht einmal zwei Minuten Einsatzzeit das Kreuzband im rechten Knie kaputt. Gago wird womöglich nie wieder Fußball spielen. Alles andere war schon Fußballgeschichte - im Stadion herrschte bedeutungsvolle Stille.
Historisch hat Argentinien gesamtgesellschaftlich schon immer gerne gelitten, das beizubehalten, daran arbeitet man weiter. Keiner hat noch Angst vor Argentinien. Auch nicht vor AFA-Präsident »Chiqui« Tapia. Dessen Haus in Caballito wurde während des Matches komplett ausgeraubt.
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