Tempo 30 kommt langsam
Drei Hauptstraßenzüge werden erst umfangreich untersucht, bevor eine Entscheidung fällt
Auf drei Ausfallstraßen könnte in absehbarer Zeit Tempo 30 statt bisher Tempo 50 gelten. Das kündigte Umwelt- und Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) am Mittwochmorgen an. Grund für die Geschwindigkeitsreduzierung sind Stickstoffdioxidbelastungen in den Straßenzügen, die über dem Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen.
Doch bevor die bei vielen Autofahrern unpopuläre Maßnahme tatsächlich umgesetzt wird, stehen umfangreiche Untersuchungen an. Mit Messfahrzeugen wird akribisch aufgezeichnet, wo der Verkehr flüssig läuft, und wo er ins Stocken gerät. Auch die Menge an Fahrzeugen sowie mögliche Schleichwege und deren Belastung sollen untersucht werden.
Mitte November sollen die Messreihen starten. Untersucht wird einerseits der lange Straßenzug Leipziger Straße ab der Ecke Markgrafenstraße über den Potsdamer Platz, die gesamte Potsdamer und Hauptstraße entlang bis zum Innsbrucker Platz. Außerdem noch der Tempelhofer Damm zwischen Ordensmeisterstraße und Alt-Tempelhof sowie die Kantstraße zwischen Savigny- und Amtsgerichtsplatz. Insgesamt 7,3 Hauptstraßenkilometer, die von viel Autoverkehr bei gleichzeitig dichter Bebauung charakterisiert sind.
»Wenn die Daten zeigen, dass sich der Verkehrsfluss bei Tempo 30 verbessert, dann werden wir die entsprechende Geschwindigkeitsbeschränkung verhängen«, sagt Günther. Parallel zu den Messungen sollen bei der Verkehrslenkung Berlin (VLB) auf Tempo 30 optimierte Ampelschaltungen erarbeitet werden. Sollte sich jedoch zeigen, dass schon jetzt der Verkehr relativ flüssig läuft, hätte eine Drosselung der Geschwindigkeit nach den Worten Günthers keinen Sinn, weil sich die Schadstoffemissionen kaum reduzierten.
Allerdings haben Temporeduzierungen auf der Schildhornstraße in Steglitz, der Neuköllner Silbersteinstraße sowie der Beusselstraße in Moabit den Schadstoffausstoß bereits um zweistellige Prozentwerte nach unten gedrückt, ganz ohne wissenschaftlichen Vorlauf.
»Einfach Schilder dran und fertig. An den entsprechenden Straßen werden die Grenzwerte überschritten«, fordert denn auch Martin Schlegel, Verkehrsexperte des Umweltverbands BUND Berlin. Bedenken bezüglich der Rechtssicherheit, wie die Senatorin sie sieht, hat er nicht.
Der BUND und die Verkehrsverwaltung sehen sich in einem anderen Fall bald vor Gericht wieder. Dabei geht es um die Berliner Allee in Weißensee. Ein Anwohner hatte mit Unterstützung des Verbandes dort bereits im Januar 2016 vor dem Verwaltungsgericht die Verhängung von Tempo 30 erstritten. Grund waren Lärm- und Schadstoffgrenzwertüberschreitungen. So ein Vorgehen sieht der vom Senat verabschiedete Luftreinhalteplan auch vor, die VLB wollte die Maßnahme jedoch nicht umsetzen.
»Wir haben am 26. September gegen das Urteil Berufung eingelegt«, sagt Günther. Es gehe auch hier um Rechtssicherheit. »Im Rahmen intellektueller Kurzsichtigkeit wurde in dem Urteil ein Zusammenhang aufgestellt, ohne die nachweislichen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Faktoren zu berücksichtigen«, mokiert sich Christoph Stollwerck, Justiziar in der Verkehrsverwaltung, über das Urteil. »Wir wollen dort Tempo 30 einführen, wo wir es für sinnvoll halten«, so die Senatorin.
»Ich kann das Vorgehen der Senatsverwaltung nachvollziehen«, sagt Schlegel. Immerhin hätten Autofahrer teilweise erfolgreich gegen Tempolimits geklagt. »Wir sind zuversichtlich, dass das Oberverwaltungsgericht unsere Position bestätigen wird«, so der Umweltaktivist.
An rund 50 Kilometern des hauptstädtischen Straßennetzes werden die Grenzwerte für Stickstoffdioxid überschritten. Wie damit umzugehen sei, überlege die Senatsverwaltung noch. »Ich habe nicht das Gefühl, dass ich bei Tempo 30 zurückhaltend bin«, sagt Regine Günther.
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