Warten auf den Bus hat kein Ende

Nach Spitzengespräch zur Anbindung von Sachsenhausen soll es nur neue Expertisen geben

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Untersuchungsergebnis von Klaus-Martin Melzer und Martin Lehnert ist an Eindeutigkeit nicht mehr zu überbieten. Die Professoren für Verkehrstechnik an der Technischen Hochschule Wildau haben mit der Hilfe von sechs Studenten aufwendig den Bedarf für die Busanbindung der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen analysiert.

Melzer hatte die Analyse am vergangenen Freitag vorgestellt. Es gab im Vorfeld ein großes Medieninteresse. Mehrere Zeitungen wollten ihre Redakteure zu dem Termin entsenden und auch der Fernsehsender rbb hatte sich dem vernehmen nach bei der Stiftung brandenburgische Gedenkstätten mit einem Kamerateam angesagt. Wegen des Orkans am Donnerstagabend blieben die Journalisten allerdings bis auf eine Ausnahme notgedrungen weg und berichteten nur anhand der schriftlichen Pressemitteilung. Verpasst haben die Kollegen damit die sehr überzeugende Präsentation von Professor Melzer. Die klare Aussage des Experten: Die KZ-Gedenkstätte Dachau beispielsweise sei fünfmal besser an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden. Vom Bahnhof Oranienburg zur Gedenkstätte Sachsenhausen müssten unbedingt viel mehr Busse fahren, am besten wäre ein Shuttleverkehr im 20-Minuten-Takt, so die Empfehlung. Nach Ansicht von Melzer könnte dies kurzfristig bereits im kommenden Jahr realisiert werden.

Stiftungsdirektor Günter Morsch konnte sich noch am Freitag gar nichts anderes vorstellen, als dass nach dieser sonnenklaren Bedarfsanalyse eine Lösung gefunden wird. Doch ein Spitzengespräch am Mittwoch im Kulturministerium brachte keinen Durchbruch, stattdessen eine erneute Verzögerung. Denn zunächst einmal »sollen nun verschiedene Varianten planerisch näher untersucht werden«, heißt es in einer am Mittwochabend verbreiteten gemeinsamen Erklärung von Kulturressort, Stiftung, Landkreis Oberhavel und Stadt Oranienburg.

Sachsenhausen sei inzwischen nach Auschwitz und Dachau die KZ-Gedenkstätte mit den meisten Besuchern, betont Direktor Morsch. Mehr als 700 000 Menschen aus aller Welt sind im vergangenen Jahr gekommen. Den dringenden Bedarf für eine bessere Busverbindung könne »nun niemand mehr ernsthaft bestreiten«. Umso mehr bedauert Morsch, dass auch nach dem Spitzengespräch »keine rasche Verbesserung der Busverbindung in Sicht ist, da diese Frage mit der Lenkung der Besucherströme verknüpft wurde«.

Anwohner beschweren sich nämlich über den Lärm, wenn Pkw und schwere Busse über die holprige Straße der Nationen rumpeln, und über die laufenden Motoren der wartenden Reisebusse, wenn die Fahrer stundenlang die Klimaanlage laufen lassen. Eine Anwohnerinitiative hat sich gebildet und Vorschläge gemacht. Ins Spiel gebracht werden zusätzliche Zufahrten auf der anderen Seite des Geländes - am Finanzamt und an der Fachhochschule der Polizei.

Morsch lehnt dieses Ansinnen jedoch ab. Aus historischen, konzeptionellen, logistischen und personellen Gründen sei es von zentraler Bedeutung, »dass der Zugang für alle Besucher auch weiterhin über die Straße der Nationen erfolgt, egal ob sie zu Fuß, mit Pkw, Reisebus oder Linienbus anreisen«. Um den Lärm zu mindern, verlangt die Stiftung eine Asphaltierung der desolaten Kopfsteinpflasterstrecke.

Kulturministerin Martina Münch (SPD) hält es zwar für notwendig, »die Besucherströme zu entzerren«, sagt aber deutlich, der Eingang sei »nicht verhandelbar«. Trotzdem sollen sich alle irgendwie aufeinander zubewegen.

Es »müssen nun die verschiedenen Ideen, Überlegungen und Varianten abgewogen und zu einem tragfähigen Gesamtkonzept unter Federführung der Stadt Oranienburg zusammengeführt werden«, meint Landrat Ludger Weskamp (SPD). »Dabei dürfte es notwendig sein, weitere externe Expertisen hinzuzuziehen.« Nach Ansicht des Landrats hat sich gezeigt, »dass es bei der Anbindung der Gedenkstätte nicht losgelöst um die Frage der Busverbindung geht«.

Es wird jetzt also weiter geprüft und verhandelt - und dies kann sehr lange dauern. Derweil müssen täglich tausende Besucher, die mit der S-Bahn aus Berlin anreisen, die rund drei Kilometer bis zur Gedenkstätte zu Fuß bewältigen, wenn sie früh ab 9 Uhr nicht ewig aus den Bus warten wollen oder in der Stoßzeit von 11 bis 13 Uhr im Gedränge keinen Platz mehr im Bus finden. Denn die Linie 804 verkehrt montags bis freitags lediglich stündlich, am Wochenende sogar nur alle zwei Stunden. Und die Linie 821, die noch seltener vorbeikommt, bringt da wenig Entlastung.

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