Nur noch drei Tage Staunen
Biblisches im »Pergamon«
Bibelhandschriften inmitten islamischer Kunst, zwischen orientalischen Teppichen, Metallarbeiten und Keramik - eine Provokation? Nein. Denn diese Nachbarschaft war jahrhundertelang gelebte Realität, Alltag im Nahen Osten. Dort, wo die Wiege der drei großen Weltreligionen Judentum, Christentum, Islam stand und die heiligen Schriften Tora, Bibel, Koran entstanden. Vor zwei Jahren zeigte das Bode-Museum mit der Ausstellung »Ein Gott - Abrahams Erben am Nil«, wie Gläubige aller drei Religionen über Jahrhunderte hinweg zumeist friedlich zusammenlebten und tolerant miteinander umgingen. Daran knüpft die Exposition »Gläubiges Staunen. Biblische Traditionen in der islamischen Welt« im Pergamonmuseum an. Nur noch drei Tage, bis Sonntag, ist sie zu sehen. Man sollte sich das Erlebnis nicht entgehen lassen.
Aus der Orientabteilung der Staatsbibliothek Berlin werden kostbare Bibelhandschriften gezeigt, die die Vielfalt christlichen Glaubens von Nordafrika bis nach Armenien, von der Spätantike bis in die Neuzeit dokumentieren. Zu bewundern sind arabische Handschriften und indische Miniaturen aus einer Privatsammlung sowie dem Museum, die den christlichen Einfluss auf die islamische Religion und Kunst offenbaren.
Am Anfang war die Heilige Schrift der Juden, der Tanach, mit der Tora (Fünf Bücher Mose) und den Prophetenbüchern. Zunächst eine Sammlung uralter mündlicher profaner und religiöser Überlieferungen, wurden sie ab dem 7. Jahrhundert v. Chr. in Hebräisch auf Papyrus- oder Lederrollen festgehalten. In der Ausstellung ist eine 2,6 Meter lange, aus sechs Häuten zusammengenähte Schriftrolle mit dem alttestamentarischen Buch Ester zu sehen. Diese Rollenform hat sich für den Gottesdienst bis heute erhalten.
Da durch die Diaspora viele Juden das Hebräische nicht mehr verstanden, wurde eine Übersetzung in die Alltagssprache Griechisch notwendig. Der ägyptische Pharao Ptolemaios II. (3. Jahrh. v. Chr.) soll für die berühmte Bibliothek in Alexandria eine solche bestellt haben. 72 jüdische Gelehrte übersetzten in 72 Tagen die Schrift, bekannt als »Septuaginta« (lat. 70, gerundete Zahl der Übersetzer). Die frühen Christen übernahmen die Septuaginta und stellten sie als das Alte Testament ihrem Neuen Testament voran.
Zunehmend machten sich in der Spätantike aber Differenzen zwischen byzantinischer Staatskirche und orientalischen Christen bemerkbar. Vordergründig ging es um theologische Fragen. Doch spitzte sich ein schon lange währender Machtkampf um die Unabhängigkeit der orientalischen Kirchen von Byzanz zu. Als ein ausgehandelter Kompromiss 451 n. Chr. auf dem 4. Ökumenischen Konzil in Chalzedon (heute Stadtteil von Istanbul) dann doch nicht von allen Streitparteien akzeptiert wurde, kam es zur ersten großen Spaltung der Christenheit: Mehrere orientalisch-orthodoxe Kirchen trennten sich von der byzantinischen Reichskirche, darunter die Armenisch-Apostolische Kirche, die Syrisch-Orthodoxe Kirche und die Koptisch-Orthodoxe Kirche Ägyptens. Wer mehr darüber erfahren will, muss flugs zur Museumsinsel eilen.
»Gläubiges Staunen. Biblische Traditionen in der islamischen Welt«, bis zum 15. Oktober im Pergamonmuseum, Bodestraße 1-3, Mitte
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