- Politik
- CDU in Sachsen
Bei Sachsens Schwarzen hängt der Haussegen schief
Bisheriger Regierungschef Tillich sucht nach Wahlpleite sein Heil in einer Kabinettsumbildung
Der kleine König und der kleine Bürgermeister hauen in dieselbe Kerbe. »Wir müssen jetzt richtig aufräumen«, sagt Michael Herford, der Rathauschef im ostsächsischen Wilthen. »Wir müssen die Landesregierung austauschen, und zwar von den Köpfen in den Ministerien bis zur Abteilungsleiterebene«, donnert der CDU-Lokalpolitiker. Kurt Biedenkopf formuliert ähnlich. Die Sachsen hätten »das Gefühl, nicht gut regiert zu werden«, sagt der Ex-Regierungschef, der überzeugt ist, den Job von 1990 bis 2004 toll erledigt zu haben, und nun Sorge um sein »Lebenswerk« äußert.
Kein Zweifel: In der CDU Sachsen hängt der Haussegen schief. Lange dominierte die Partei im Freistaat unangefochten, fuhr absolute Mehrheiten ein und wähnte sich auf dem Weg zu bayrischen Verhältnissen. Mit der Alleinregierung ist es zwar seit dem Jahr 2004 vorbei, aber stärkste Partei blieb man noch immer, und Direktmandate oder Landratsposten gewann weiterhin der sprichwörtliche schwarze Besenstiel.
Das ist Geschichte. Bei der Bundestagswahl kam die sächsische CDU erstmals in ihrer Geschichte nur als Zweite ins Ziel. Zu allem Übel wurde der Landesverband, der sich gern als konservativster weit und breit sieht, von rechts überholt: Die AfD lag 0,1 Prozentpunkte vorn. Auch vier Wahlkreise gingen verloren.
Seither rumort und brodelt es der Partei, die sich bisher quasi als Staatspartei gefiel und Chefposten in Sport- oder Tourismusverbänden als Erbhöfe ansah. Zuletzt war Generalsekretär Michael Kretschmer an der Spitze des Volkshochschulverbands installiert worden. Dann verlor auch er völlig unerwartet seine Direktmandat.
In der CDU macht sich Angst breit, schließlich sind in nicht einmal zwei Jahren Landtagswahlen. Fiele das Ergebnis ähnlich aus, wäre nicht nur die Regierungsbildung schwierig; auch viele Abgeordnete müssten um ihre Jobs bangen. In der Partei fragt man sich, mit welcher Strategie man einer erneuten Pleite vorbeugen kann – und mit welchen Köpfen. Plötzlich steht sogar die Frage im Raum, ob Stanislaw Tillich noch der Richtige für den Job ist – der Mann, der mit neun Jahren Amtszeit dienstältester Ministerpräsident der Republik ist und mit unverbindlichem Lächeln bisher gut über die Runden kam. In der Analyse der Niederlage aber wirkte er hilflos, und seine danach geäußerte Forderung nach einem Rechtsruck habe gewirkt, als versuche er Dinge zu sagen, »von denen er glaubt, dass die Leute sie hören wollen«, schrieb die »Zeit« in einem Porträt mit dem Titel »Stanislaw, der Schwankende«.
Ironischerweise war es wohl ausgerechnet Kurt Biedenkopf, der bewirkt hat, dass der Schwankende vorerst nicht kippt: mit Äußerungen über dessen Qualifikation für das Amt, die so despektierlich waren, dass Tillichs Parteifreunde kaum anders konnten, als die Reihen eng zu schließen. Dennoch bleibt der Druck hoch. Treibende Kraft ist dabei nicht die Fraktion. Vielmehr sind es die CDU-Landräte, die den Takt vorgeben – ähnlich wie 2008, als Tillichs Vorgänger Georg Milbradt nach der Pleite der Landesbank und kurz vor der Landratswahl vom Hof gejagt wurde.
Diesmal gab es erst ein »Geheimtreffen«, auf dem auch auf personelle Konsequenzen gedrängt wurde; dann habe man, so heißt es, mit Tillich in der Staatskanzlei »Tacheles geredet«. Als Folge soll es ein Maßnahmepaket für den ländlichen Raum geben – und eine »große« Regierungsumbildung. Das Kultusressort ist ohnehin vakant; zudem stehen der Finanz- und der Innenminister zur Disposition, denen etwa Personalmangel in Schulen und bei der Polizei angelastet wird. Die Richtung für den jahrelangen Personalabbau habe aber Tillich selbst vorgegeben, sagt Rico Gebhardt, Fraktionschef der LINKEN. Er fordert, der Regierungschef solle im Landtag Mitte November ein »Bekenntnis zu seinen eigenen Fehlern« ablegen.
Drei Wochen später will sich Tillich auf einem CDU-Parteitag als Landesvorsitzender bestätigen lassen. Selbstkritik dürfte auch dort goutiert werden.
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