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RLS Mobilitätsstudie

V-Mann Murat, der Aufwiegeler

Die Aufdeckung eines Zuträgers setzt das Landeskriminalamt in NRW unter Druck

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Ende September hat in Celle ein Islamistenprozess begonnen, der für Aufsehen sorgt. Angeklagt ist dort Ahmad Abdulaziz Abdullah A., der sich als Prediger Abu Walaa nennt. Er gilt als die Nummer Eins des Islamischen Staates in der Bundesrepublik. Der aus dem Irak stammende Prediger soll Islamisten für den Kampf in Syrien und Irak rekrutiert haben. Er und seine Anhänger sollen allerdings auch Anschläge in Deutschland geplant haben. Nun stehen Abu Walaa und fünf weitere Gefolgsleute, die im November 2016 verhaftet wurden, vor Gericht, und ihre Anwälte sorgen für neue Enthüllungen.

Auch Anis Amri, der Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, gehörte zum Netzwerk des Predigers. Das ist längst bekannt. Drei Anwälte der Islamisten, bestätigten gegenüber dem rbb unabhängig voneinander, dass Amri enge Kontakte zu einem V-Mann des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes hatte. Dieser sei Teil der Gruppe um Abu Walaa gewesen und sei als »der Radikalste« aufgefallen. Immer wieder soll er andere Islamisten aufgefordert haben, Anschläge in Deutschland zu begehen. Der als »VP-01« geführte Mann nannte sich Murat. Er soll Anis Amri oft in die Flüchtlingsunterkünfte, in denen er lebte, gefahren haben. Auch nach Berlin wurde Amri von dem V-Mann chauffiert.

Die LINKE-Bundestagsabgeordnete Martina Renner verbindet die neuen Enthüllungen im Fall Anis Amri mit einer generellen Kritik am V-Leute-Unwesen. »Dort, wo Geheimdienste oder Polizei Quellen in kriminellen oder terroristischen Milieus führen, werden regelmäßig Straftaten billigend in Kauf genommen, manchmal sogar regelrecht beauftragt oder gedeckt«, sagte Renner dem »nd«. Das sei im Fall Amri offenbar nicht anders als beim NSU oder in der Rockerszene und der Organisierten Kriminalität. »Im konkreten Fall müssen nachvollziehbare Ermittlungen gegen die Vertrauensperson des Landeskriminalamts und die zuständigen Beamten eingeleitet werden«, forderte Renner.

Ein großes Problem im Fall Amri ist einmal mehr, dass die Sicherheitsbehörden ihre Verstrickungen in die Tat verschweigen. In Nordrhein-Westfalen begann am Freitag der zweite Untersuchungsausschuss zum Fall Amri. Der Ausschussvorsitzende Jörg Geerlings (CDU) geht davon aus, dass zügig Beamte aus dem Landeskriminalamt (LKA) vernommen und nach der Rolle des V-Mannes befragen werden. Die LKA-Beamten werden dann auch Fragen beantworten müssen, warum sie dem ersten Amri-Ausschuss in Nordrhein-Westfalen, der vom Februar an bis zur Ende der Wahlperiode im Mai tagte, keine Auskünfte über die Vertrauensperson ihrer Behörde gegeben haben. Zahlreiche hohe Beamte von LKA und Innenministerium sagten damals im Landtag aus. Der Landeskriminaldirektor Dieter Schürmann sagte dem Ausschuss, er schließe aus, »dass auch nur in Erwägung gezogen worden sein könnte, Amri als Kontaktperson, V-Person o.ä. für Ermittlungen einzusetzen.« Dass es mindestens einen V-Mann im direkten Umfeld von Amri gab, verschwieg Schürmann. Auch Uwe Jacob, damals Direktor des LKA und heute Polizeipräsident von Köln, wusste einiges über Amri zu berichten. Etwa, dass er im Ermittlungsverfahren gegen die Gruppe um Abu Walaa aufgefallen sei und dass man ihn habe verhaften oder abschieben wollen. Jacob sprach auch von einer Telekommunikationsüberwachung gegen Amri. Aber er erwähnte nichts über den V-Mann aus den eigenen Reihen, der enge Kontakte zu Anis Amri hatte. Dass die hohen nordrhein-westfälischen Beamten in ihren Aussagen so zurückhaltend waren, lag möglicherweise an einem Maulkorb, den sie von der Bundesanwaltschaft bekommen haben. Sie ist die federführende Behörde im Fall des Predigers Abu Walaa.

Monika Düker, Innenpolitikerin der Grünen Landtagsfraktion, saß im ersten Amri-Ausschuss und ist auch im jetzigen vertreten. Sie fordert die »Freigabe aller relevanten Akten, insbesondere durch den Generalbundesanwalt.« Düker hofft vor allem darauf, dass in dem Ausschuss die Frage aufgeklärt wird, ob der V-Mann ein »doppeltes Spiel betrieben« habe, in dem er einerseits Informationen an das LKA gab und andererseits Islamisten zu Anschlägen angestiftet hat.

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