Von Brüchen und Kontinuitäten
Sabine Brantl und Ulrich Wilmes haben einen Band zur Geschichte des Münchner »Hauses der Kunst« herausgegeben
Das Münchner »Haus der Kunst« hieß bei seiner Gründung 1937 natürlich »Haus der Deutschen Kunst«. Hitler, der bei der Eröffnung zugegen war, nannte es auch einen »Tempel der Deutschen Kunst«. Zum 80-jährigen Bestehen des Münchner Museums ist nun eine sehr schöne Publikation erschienen, die sich mit seiner wechselhaften Geschichte befasst.
Der Architekt Paul Ludwig Troost hatte den riesigen, kantigen Museumsbau mit seinen weißen Hallen, dem in der Mitte gelegenen Skulpturenhof und den Säulengängen für die Präsentation dessen, was im Nationalsozialismus als Kunst noch Bestand hatte, bestens konzipiert. Heroische, mindestens aber heile Körper, wie sie in den Skulpturen von Arno Breker bis Georg Kolbe dargestellt waren, passten sich in Troosts neoklassisches Gebäude bestens ein.
Bereits der Bau war eine ideologisch-ästhetische Ansage. Die neoklassischen Museumsbauten von Karl Friedrich Schinkel in Berlin dienten einerseits als Vorbilder, andererseits aber wurden sie in München monumentalisiert. Das »Haus der Kunst«, mit dessen Planung man bereits im Sommer 1933 begonnen hatte, stand so gewissermaßen ganz am Anfang einer architektonischen Entwicklung, an deren Ende Albert Speers »Germania« stehen sollte.
Die erste Ausstellung im »Haus der Deutschen Kunst« war die »Große Deutsche Kunstausstellung«, in der eine Einheit von Volk und Kunst behauptet wurde. Sie war die erste in einer Reihe jährlich wiederkehrender Schauen, die einen Überblick über neuere Entwicklungen in der deutschen Kunst geben sollte. 1939 etwa waren zahlreiche Ölbilder, die den Alltag von Müttern und Soldaten beschrieben, darunter. Wenige Arbeiten verbreiteten offene Propaganda, dennoch wurden natürlich bestimmte Werte vermittelt. Der positive Bezug auf Kameradschaft, Familie und Heimat ist beim Betrachten der Werke unverkennbar. Das Buch, herausgegeben von Sabine Brantl und Ulrich Wilmes, beinhaltet eine größere Zahl aufschlussreicher Fotografien solcher Ausstellungen. Wünschenswert wäre eine nähere Betrachtung solcher Kunstwerke - jenseits der direkten politischen Inhalte.
Als Gegenstück wurde nur einen Tag später und wenige hundert Meter entfernt in der Galerie am Hofgarten die Schau »Entartete Kunst« eröffnet. Bunt zusammengewürfelt wurden allerlei Werke der klassischen Moderne gezeigt, die die Nazis aus Museumssammlungen, Galerien und Ateliers konfisziert hatten. Werke des Kubismus, Expressionismus oder Dadaismus. Gegen die Kunst der Moderne sollte ein »Säuberungskrieg« geführt werden, wie Hitler während der Eröffnung der Ausstellung proklamierte.
Im Zentrum des Bandes steht der »ideologische Gebrauch der Kunst«. Bereits vor fünf Jahren zeigte das »Haus der Kunst« unter diesem Titel eine Ausstellung zur eigenen Geschichte. Der Zeitraum, um den es geht, umfasst nicht allein die Nazijahre, sondern reicht in die Anfänge der Bundesrepublik. Die Herausgeber und ihre Autoren analysieren in den Beiträgen ideologische Paradigmen in der deutschen Kulturpolitik.
1954 etwa zeigte das »Haus der Kunst« eine große und aufsehenerregende Picasso-Retrospektive, bei der auch sein fast acht Meter breites Gemälde »Guernica« zu sehen war. Picasso hatte es 1937 als Reaktion auf die Auslöschung der baskischen Stadt durch die deutsche Fliegerlegion Condor im spanischen Bürgerkrieg geschaffen. In einem Schreiben des Auswärtigen Amtes an das Bayerische Staatsministerium für Kunst, das in dem Band dokumentiert ist, wird vor der Eignung von Picassos Werken zu »kommunistischen Propagandazwecken« gewarnt. Ein Dr. Frahne empfiehlt darin, Bilder mit politischem Gehalt, wie etwa die Friedenstaube, die er in Anführungszeichen setzt, wegzulassen.
Kontinuitäten gab es auch personeller Art. So nennt Sabine Brantl in ihrem Aufsatz den Münchner Künstler Carl Theodor Protzen, dessen Soldatenporträts und Dorfansichten während des Nationalsozialismus oft in den Ausstellungen des »Hauses der Deutschen Kunst« zu sehen waren. Hitler hatte gleich vier seiner Bilder für die Sammlung angekauft. Nach der Befreiung malte Protzen neoexpressionistisch. Werke der Vorkriegsmoderne wurden zu dieser Zeit in München, aber auch auf den ersten beiden Ausstellungen der Documenta ausgestellt, als Teil eines gut gemeinten Reeducationprogramms. Gleichzeitig gehörte Protzen dem Verein »Ausstellungsleitung« an, der für die frühen Ausstellungen am »Haus der Kunst« sorgte, in denen immer wieder nationalsozialistische Künstler gezeigt wurden. Möglicherweise war der härteste Bruch, den das Haus in der Nachkriegszeit erlebte, 1945. Die amerikanischen GIs entdeckten das seltsame Gebäude, das als eines der wenigen die Bombenangriffe überstanden hatte, und richteten dort ein Tanzlokal ein.
»Geschichten im Konflikt. Das Haus der Kunst und der ideologische Gebrauch von Kunst, 1937-1955«, Hg. von Sabine Brantl und Ulrich Wilmes, Sieveking Verlag, 312 S., geb., 34,90 €.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.