Hamburgs oberste Hoffnungsträgerin

Die Theologin Gabriele Schmidt-Lauber ist die erste Chefin in der Geschichte der Stadtmission

  • Volker Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie erfüllt das vom Philosophen Ernst Bloch entlehnte Schlagwort »Prinzip Hoffnung« mit Leben. Als erste Frau an der Spitze der Stadtmission ist Gabriele Schmidt-Lauber sozusagen qua Amt Hamburgs oberste Hoffnungsträgerin für die Ärmsten der Armen und sozial Ausgegrenzten in der Stadt.

Mit menschlichem Elend wurde die in Johannesburg (Südafrika) geborene und in Kiel und Wien wohlbehütet aufgewachsene Pastorentochter in Hamburg erstmals 1985 hautnah konfrontiert, als sie von Göttingen in die Hansestadt zog, um hier ihr Studium fortzusetzen. Zusammen mit einer ihrer drei Schwestern lebte sie in einer Wohngemeinschaft im damaligen Problemstadtteil St. Georg. »Ich habe mich trotz des Straßenstrichs und der Dealer in der Langen Reihe und am Hansaplatz zwar nie bedroht gefühlt, war aber entsetzt über die vielen Spritzen, die überall rumlagen«, erinnert sich die heute 54-Jährige.

Das Leben im Stadtteil war damals rau. So habe sie zum ersten Mal Straßenproteste mitbekommen, und in der ersten Nacht wurde gleich ihr Fahrrad geklaut. Neben der WG befand sich in einer hellhörigen Wohnung ein Bordell. Die Studentin konnte hören, was sich hinter der Wand abspielte. Eines Nachts schreckte sie auf, als nebenan eine Stimme sagte: »Gabi - ein Freier für dich!« Gabi, so wurde ja auch sie von ihren Freunden gerufen.

Nach dem theologischem Examen startete sie eine akademische Karriere und heiratete einen Pastor, mit dem sie vier Kinder bekam. Mittlerweile lebt sie aber getrennt von dem Mann. Schmidt-Lauber wurde Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kirchengeschichte an der Uni Hamburg, promovierte über Luthers Römerbriefvorlesung und absolvierte ein Vikariat. 2008 übernahm sie eine Professur für Diakonische Theologie an der Evangelischen Hochschule in Hamburg.

Als sie im Herbst 2016 angesprochen wurde, ob sie als erste Frau nach 169 Jahren Chefin der Stadtmission - seit 2013 »Hoffnungsorte Hamburg« - werden wollte, sagte sie sofort »Ja« zum Ehrenamt. Begründung: »Ich springe gerne ins kalte Wasser.« Die Umbenennung von Stadtmission in »Hoffnungsorte Hamburg« findet Schmidt-Lauber richtig: »Der Name war zu altmodisch, man hat das nur mit der Bahnhofsmission verbunden.« Die Einrichtung war 1848 von Johann Hinrich Wichern gegründet worden, um Gestrandeten, Verarmten, Alkoholikern und verwahrlosten Kindern zu helfen - finanziert von wohltätigen Bürgern. Das habe sich bis heute nicht geändert, so Schmidt-Lauber: »Wir sind auf Spenden von Leuten angewiesen, die was von ihrem Vermögen abgeben wollen.«

Bleibt neben Lehre, Forschung und dem Ehrenamt noch Zeit für private Dinge? »Ich jogge und walke gerne, betreibe den Sport aber ohne meinen Freund. Der hasst das.« Ansonsten liest sie gerne Klassiker, »vor allem die Russen, aber auch Gegenwartsliteratur - und Krimis«.

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