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Handwerker-Blues

  • Lesedauer: 3 Min.

In dürftig sanierten Berliner Altbauwohnung ist eigentlich immer irgendwas kaputt. Vieles davon akzeptiert man einfach und redet sich ein, es handle sich um Schönheitsfehler, die den Charme der vernachlässigten Mietwohnung ausmachen. So zum Beispiel die vor Nässe triefenden Fenster, der Herd, der nur kalt oder verbrannt kennt und die ewig lockere Fußleiste, an der man sich beim schlaftrunkenen Gang Richtung Bad regelmäßig den Zeh stößt, der mittlerweile aber ebenfalls an »Charme« dazugewonnen hat und irgendwie abgenutzt aussieht.

Warum nicht die Hausverwaltung anrufen und diese Dinge reparieren lassen? Der Gedanke allein belustigt - wie naiv sind Sie denn? Und woher, aus München? Man muss gut aufpassen, wofür man die Hausverwaltung einen Handwerker schicken lässt, denn wenn man das zu oft macht, nehmen die einen nicht mehr ernst und niemand kommt. Da darf man nicht so pingelig sein, wegen ein bisschen Wasser, Schimmel und Blut sollte man seine Joker nicht verspielen.

Wenn dann aber bei nächtlichen vier Grad Außentemperatur das Badezimmerfenster überhaupt nicht mehr zugeht und das morgendliche Duschen einer Nahtoderfahrung gleicht, sollte man doch mal zum Telefon greifen und einen energischen Ton anschlagen. Drei Wochen später - das Duschen wird morgens längst mit einem tränenreichen Ritual meinerseits eingeleitet - kommt dann der für mich schönste Moment: Der Handwerker klingelt. Nicht nur, dass er mich aus meiner Misere rettet und dadurch in meinen Augen zu einem Superhelden im Blaumann wird. In 99 Prozent der Fälle ist der Fachmann auch noch ein waschechter Berliner - genau wie ich. Das heißt, endlich, ENDLICH spricht mal wieder jemand mit mir in meiner Muttersprache. Kein süddeutsch-gerolltes »R«, kein sächsisch-weiches »S« und vor allem kein körperliche Schmerzen bereitendes schwäbisches »Sch« an Stellen, wo es nicht hingehört. Nee, stattdessen zur Begrüßung ein liebliches »Tachchen, kann ick die Botten och anlassen?« Klar kannste! »Janz schön kalt hier bei dir, wa? Dann kiecken wa mal«, nimmt sich mein Held sofort des Problems an und, mir wird warm ums Herz, duzt mich ungefragt. Wir Berliner machen das nämlich so.

Während der Mann im Bad werkelt stehe ich in Wintermantel hinter ihm. Er trinkt seinen Kaffee und wir flachsen ein bisschen. Seine Worte sind wie Musik in meinen Ohren. Sofort fühle ich mich wohl und vertraut. Ich muss an meinen Vater denken. Wieder mal merke ich, wie sehr er mir fehlt, der Berliner Dialekt. Fast nirgends ist er noch zu hören. Er ist vor dem Aussterben bedroht. Dabei müssen wir Einheimischen doch unser kulturelles Erbe schützen! Inzwischen bin ich selbst eingerostet. Es klingt irgendwie nicht mehr so selbstverständlich. Das deprimiert mich. Eine Berliner Rieke, die nicht mehr ordentlich Berlinern kann? So kann das nicht weitergehen! Ich brauche wieder Übung.

Am nächsten Morgen fummle ich in Winterjacke mit einer Nagelfeile am Küchenfenster rum. Unmöglich diese Wohnung, alles hier geht kaputt. Es muss dringend ein Handwerker kommen.

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