Druck auf Myanmar wächst

Angesichts 580 000 geflüchteter Rohingya verschärfen EU und Weltbank ihre Politik

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.

Myanmars Generäle geraten weiter unter Druck. Gerade hat die Weltbank einen 200-Millionen-Dollar-Kredit eingefroren. Das Geld sollte direkt über den myanmarischen Staatshaushalt in verschiedene Einzelprojekte fließen - im Angesicht der aktuellen Konfliktlage und der im Raum stehenden Vorwürfe schwerster Menschenrechtsverletzungen könne es derzeit nicht freigegeben werden, heißt es zur Begründung. Damit nicht genug: Auch die Europäische Union hat bereits Schritte eingeleitet, um den Dialog mit dem südostasiatischen Land zwar nicht einzufrieren, wohl aber Zeichen zu setzen: So wurden sämtliche Einladungen an Armeechef General Min Aung Hlaing und andere hochrangige Offiziere gestrichen. Insgesamt soll jegliche bisher angelaufene Kooperation mit dem myanmarischen Militär überprüft werden.

Wochenlang hatte die internationale Gemeinschaft vor allem an der faktischen Chefin der zivilen Regierung, Aung San Suu Kyi, Kritik geübt. In der Rohingya-Krise hatte sie sich erst gar nicht, dann nur sehr zurückhaltend geäußert. Fast schon verteidigte sie das Militär und dessen Offensive nach dem Angriff von Extremisten der Arakan Rohingya Salvation Army (ARSA) am 25. August auf 30 Polizeistationen und ein Armeecamp. Cin Khan Lian von der zivilgesellschaftlichen Organisation Ar Yone Oo verteidigt die nunmehr außerhalb des Landes viel geschmähte Friedensnobelpreisträgerin: »Das ist insofern ungerecht, weil sie die ganzen Vorwürfe einstecken muss, das Militär als treibende Kraft dieser Entwicklung aber kaum etwas der direkten Kritik abbekommt.« In vielen Orten des Landes verkünden - ausdrücklich auch auf Englisch - große Plakate: »Suu Kyi - wir stehen vereint hinter Dir.«

Gleichwohl bleibt die angespannte Lage. Die Zahl der Flüchtlinge, die seit knapp zwei Monaten in Bangladesch eintreffen, hat inzwischen die Marke von 580 000 überschritten. Und noch immer harren weitere Menschen, die schon ihre Heimatdörfer verlassen haben und teils völlig entkräftet sind, auf myanmarischer Seite der Grenze aus. Die Menschenrechtsvereinigung Amnesty International hat dieser Tage die im Raum stehenden Vorwürfe gezielter Gewalt der Armee gegen Zivilisten - wie das Niederbrennen ganzer Siedlungen, Vergewaltigungen und Morde - mit detaillierten Augenzeugenberichten untermauert, die man unter 120 Flüchtlingen gesammelt habe.

General Hlaing weist dies zurück und bestreitet zudem vehement, dass es überhaupt Rohingya gebe. »Das sind Menschen, die aus Bengalen kommen und nun zum Teil in das Gebiet zurückgehen, mit dessen Bewohnern sie eine Sprache und Kultur teilen.« Die Bezeichnung Bengalis für die Rohingya ist unter der myanmarischen Mehrheitsbevölkerung allgemein verbreitet, findet sich selbst in einigen seriösen Medien. Und auch als Suu Kyi Mitte des Monats die Gründung eines Sondergremiums bekanntgab, das unter ihrem Vorsitz den Wiederaufbau und die weitere Entwicklung im Teilstaat Rakhine koordinieren soll, fiel in der Erklärung das Wort Rohingya kein einziges Mal.

Während Myanmar mit dem Nachbarland in Verhandlungen getreten ist, wie eine Rückkehr der Flüchtlinge erfolgen kann, hatte Bangladeschs Regierungschefin Sheikh Hasina Wajed bereits vor der UN-Vollversammlung einen Fünf-Punkte-Plan vorgestellt. Neben dem Ende der Gewalt geht es darin unter anderem auch explizit um die »vollständige und nachhaltige« Umsetzung der Empfehlungen der Kofi-Annan-Kommission. Das Gremium unter dem Vorsitz des einstigen UN-Generalsekretärs war von Suu Kyi selbst berufen worden, sein Abschlussbericht am 25. August wurde wenige Stunden vor den Anschlägen der ARSA-Rebellen veröffentlicht, die die neue Gewaltwelle auslösten. Annan selbst hat sich inzwischen abermals zu Wort gemeldet und bekräftigt, dass aus seiner Sicht an der Änderung des Gesetzes von 1982 kein Weg vorbei führe. Seinerzeit wurden zwar 135 Volksgruppen offiziell anerkannt, die Rohingya aber quasi kollektiv ihrer Staatsbürgerschaft beraubt.

Bevor es solche politischen Fortschritte gibt, mühen sich Bangladeschs Roter Halbmond, UN-Stellen und andere Akteure derzeit, den Flüchtlingen wenigstens ein Mindestmaß an Nothilfe zu bieten. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR richtet im Grenzgebiet ein Transitzentrum mit 1250 Plätzen ein, um die Neuankömmlinge besser registrieren und verteilen zu können. Bestehende Camps sollen ausgebaut werden. Nicht nur das Kinderhilfswerk UNICEF - 60 Prozent der Geflüchteten sind minderjährig - beklagt aber, dass der Großteil zugesagter Gelder bisher noch nicht eingegangen ist. Die Europäische Union stellte weitere 30 Millionen Euro in Aussicht, zusätzlich zu den 21 Millionen, die sie bisher bereitgestellt hat.

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