Armut wird in Deutschland vererbt

21 Prozent aller Kinder in ungesicherten Verhältnissen

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer einmal ganz unten ist, kommt hierzulande schwer wieder nach oben. Das gilt auch für Kinder. Rund 21 Prozent aller Kinder hierzulande leben über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren dauerhaft oder wiederkehrend in Armut. Dies ist das Ergebnis einer am Montag veröffentlichten Studie, die die Bertelsmann-Stiftung beim Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Auftrag gegebenen hat.

Jährlich werden 400 Milliarden Euro vererbt, von denen 14 Prozent die reichsten 0,08 Prozent der Bürger erhalten. Das hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) jüngst berechnet. Auf der anderen Seite wird ein Drittel aller Kinder in Familien geboren, die zumindest zeitweilig als arm gelten. Dabei sind laut IAB und Bertelsmann- Stiftung Familien arm, die entweder weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben oder auf staatliche Grundsicherungsleistungen angewiesen sind. Besonders häufig befinden sich demnach Kinder von Alleinerziehenden, von geringqualifizierten Eltern sowie solche mit mindestens zwei Geschwistern in Armut.

»Zu wenige Familien können sich aus der Armut befreien«, sagt Jörg Dräger von der Bertelsmann- Stiftung. So leben laut der Studie zwar 68,9 Prozent in »dauerhaft gesicherten« Verhältnissen. Bei knapp zehn Prozent ist dies jedoch zumindest temporär nicht der Fall. Das heißt, dass sie zumindest kurzzeitig in Armut leben. Weitere 3,7 Prozent aller Kinder leben in Familien mit »prekären Einkommenslagen«, denen nur selten ein dauerhafter Aufstieg in abgesicherte Lagen gelingt. 5,8 Prozent leben in Haushalten, die dauerhaft auf Sozialleistungen angewiesen sind und 11,6 Prozent der Kinder leben in Familien mit dauerhafter Einkommensarmut.

»Es ist einfach beschämend, wie viele Kinder in diesem reichen Land in Armut aufwachsen«, sagt der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider. »Wir reden hier von Millionen Kindern, die Ausgrenzung und Mangel Tag für Tag als Normalität erfahren, statt eine unbeschwerte Kindheit genießen zu dürfen.« So sind Kinder, die in Armut aufwachsen, häufig von sozialer Teilhabe ausgeschlossen.

Um Verzichtserfahrungen statistisch greifbar zu machen, haben die Forscher für die Bertelsmann-Studie eine Liste von 23 Gütern und Aspekten der sozialen Teilhabe erstellt und abgefragt, ob diese bei armen Familien fehlen. Abgefragt wurde beispielsweise, ob es einen internetfähigen Computer gibt, ob die Wohnung groß genug ist, ob es genügend Geld gibt, um einmal im Monat ins Kino gehen oder Freunde nach Hause zum Essen einladen zu können.

Das Ergebnis: Kindern, die dauerhaft in Armut leben, fehlen im Schnitt 7,3 dieser abgefragten Dinge. Kinder, die zeitweilig in Armut leben, müssen auf 3,4 dieser Güter verzichten und Kinder aus Familien mit dauerhaft stabilen Einkommen lediglich auf 1,3 dieser Güter.

Die Folge: »Armut schließt Kinder von vielen sozialen und kulturellen Aktivitäten aus«, sagt Jörg Dräger von der Bertelsmann-Stiftung. Wer schon als Kind arm sei und nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen könne, habe auch in der Schule nachweisbar schlechtere Chancen. »Das verringert die Möglichkeit, später ein selbstbestimmtes Leben außerhalb von Armut zu führen.«

Wer in Armut hineingeboren wird, bleibt also auch als Erwachsener häufig arm.

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