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  • Politik
  • Unabhängigkeitsstreit in Katalonien

Entscheidende Stunden

Am Donnerstag trifft sich das katalanische Parlament, um weitere Schritte zu beraten

  • Ralf Streck, Barcelona
  • Lesedauer: 3 Min.

Nun strebt Katalonien auf die entscheidende Phase nach dem Referendum über die Unabhängigkeit von Spanien zu. Die Abstimmung hatte am 1. Oktober stattgefunden, am 10. Oktober war eine Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet worden. Da die spanische Regierung weiter jeden Dialog mit den Katalanen verweigert und - nicht nur nach Ansicht der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung - über den Paragrafen 155 einen »Putsch« in Katalonien verüben will, wird am Donnerstag das katalanische Parlament zu einer womöglich entscheidenden Sitzung zusammentreten.

Offiziell heißt es, dass in der Parlamentssitzung der »institutionelle Angriff über die Anwendung des Paragrafen 155 analysiert« werde, um eine »Antwort« darauf zu geben. Das erklärte Lluís Corominas für die - die Unabhängigkeit befürwortende - Einheitsliste Junts pel Si. Gemeinsam mit der linksradikalen CUP habe man die Sitzung beantragt. Das Parlament tritt also in Barcelona einen Tag vor der Sitzung des Senats in Madrid zusammen. Das spanische Oberhaus soll am Freitag über die Maßnahmen entscheiden, mit denen der spanische Premier Mariano Rajoy die katalanische Regierung und das Parlament entmachten sowie Polizei und öffentlich-rechtliche Medien unter Madrider Kontrolle stellen will. Rajoy hatte dies am Samstag angekündigt.

Corominas ließ offen, ob nun als Reaktion darauf von katalanischer Seite der Unabhängigkeitsweg endgültig in Kraft gesetzt werden wird oder nicht. Weder wollte er bestätigen noch dementieren, dass der Regierungschef Carles Puigdemont plant einzugreifen. Es bleibt offen, ob Puigdemont das Übergangsgesetz aktiviert und ob das Parlament formell über die Unabhängigkeit abstimmen wird, was bisher nicht geschehen ist.

Klar ist aber, dass Puigdemont weiter an seinen Dialogangeboten festhält. Er will Berichten zufolge selbst Einwände in jener Kommission vorbringen, die sich im Senat nun mit den Maßnahmen beschäftigt, die Rajoy angekündigt hat. Der Termin der Kommissionssitzung steht noch nicht fest. Derzeit spricht aber alles dafür, dass Puigdemont am Mittwoch im Senat auftreten wird.

Sollte er dort weiter gegen eine Wand reden, steigt die Chance, dass am Donnerstag quasi »aus Selbstschutz« der Unabhängigkeitsweg umgesetzt wird. Für diesen Fall haben die Universitäten am Donnerstag zum Streik aufgerufen, um viele Menschen auf der Straße zu haben, die das Parlament im Ernstfall gegen mögliche Angriffe von spanischen Sicherheitskräften schützen sollen.

Klar ist auch, dass aus Katalonien Klagen gegen das spanische Kabinett eingelegt werden, um sich gegen den »einmaligen Angriff« Rajoys zu wehren. Man müsse seine Institutionen schützen, erklärte Corominas von der Einheitsliste. Es soll auf »strafrechtlicher, zivilrechtlicher und verfassungsrechtlicher Ebene« vorgegangen werden, auf »katalanischer, spanischer und europäischer Ebene«.

Dass Puigdemont vor der Umsetzung des Paragrafen 155 durch die spanische Regierung das Parlament selbst auflöst, um Neuwahlen anzusetzen, ist unwahrscheinlich. Der katalanische Regierungssprecher Jordi Turull hatte am Sonntag gesagt, diese Option stehe »nicht zur Debatte«.

Die linksradikale CUP ruft die Katalanen nun zum »massiven zivilen Ungehorsam« gegen die »größte Aggression gegen die bürgerlichen Rechte seit der Franco-Diktatur« auf und fordert die Unabhängigkeit »so schnell wie möglich«. Auch die spanische Linkspartei Podemos sieht in den von Rajoy angekündigten Maßnahmen laut ihrem Parteichef Pablo Iglesias eine »Konterrevolution von oben«. Es handele sich dabei um »einen Angriff auf die Fundamente der spanischen Demokratie«, so Iglesias.

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