Ist der olympische Sponsorenschutz rechtswidrig?
In einem offiziellen Verfahren prüft das Bundeskartellamt, ob der DOSB die Eigenvermarktung seiner Athleten missbräuchlich behindert - mit möglichen Folgen für das IOC
In bestem Amtsdeutsch wird nüchtern von möglicherweise »zu restriktiven Vorgaben« gesprochen, dabei geht es doch um die großen Geldflüsse der Olympischen Bewegung: Das Bundeskartellamt führt ein offizielles Verfahren gegen den Deutschen Olympischen Sportbund und indirekt gegen das Internationale Olympische Komitee. Es ist ein hochbrisanter Vorgang, der das infrage stellt, was die Geldmaschine im Zeichen der fünf Ringe am Laufen hält: die Exklusivität der Großsponsoren von IOC und DOSB und deren Werbemillionen.
Die oberste deutsche Wettbewerbsbehörde bestätigte, dass sie wegen der Regel 40 der IOC-Charta, die die Werberechte von Athleten und Sponsoren während Olympischer Spiele drastisch einschränkt, ein sogenanntes Verwaltungsverfahren eingeleitet hat. »Im in Rede stehenden Verfahren wird die Anwendung von Regel 40 Paragraf 3 durch den DOSB untersucht. Dieser ist zuständig für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen in Bezug auf nationale - das heißt auf das Gebiet Deutschlands beschränkte - Anträge der Athleten auf Durchführung von Werbemaßnahmen«, teilte Behördensprecher Kay Weidner mit.
Um zu den Olympischen Spielen zugelassen zu werden, müssen die Athleten die IOC-Charta und damit auch die Regel 40 als verbindlich anerkennen. »Sollten diese Vorgaben im Einzelnen zu restriktiv sein, so könnten die Athleten und ihre (potenziellen) Sponsoren in der Individualvermarktung der Sportler missbräuchlich behindert werden«, hieß es in der Stellungnahme weiter.
Die seit Jahren heftig umstrittene und von Athleten immer wieder als unfair kritisierte Regel 40.3 lautet wörtlich: »Kein Wettkampfteilnehmer, Team-Offizieller oder Betreuer darf seine Person, seinen Namen, sein Bild oder seine sportliche Leistung während der Olympischen Spiele für Werbezwecke einsetzen, außer die IOC-Exekutive genehmigt dies.« Rund um die Olympischen Spiele von Rio 2016 untersagte die daraus für Deutschland resultierende Regelung nicht-olympischen Werbepartnern unter anderem, die Worte »Spiele« oder »Sommer« werblich zu nutzen. Die Sportler dürfen ihre Partner nicht erwähnen, schon ein falscher Hashtag oder leichtfertiger Retweet in sozialen Medien kann verhängnisvoll sein. Bei Verstößen sind Strafen bis zur Disqualifikation möglich - wohlgemerkt für die Athleten.
Der Schutz der eigenen Geldgeber ist dem IOC nicht von ungefähr heilig. Im vergangenen Olympiazyklus (2013 bis 2016), in dem insgesamt etwa 5,5 Milliarden Euro erlöst wurden, zahlten die zehn Topsponsoren knapp eine Milliarde Euro. Sie sind damit nach den Einnahmen aus Fernsehrechten (ca. 3,5 Milliarden) hauptverantwortlich für den märchenhaften Reichtum des Ringeordens.
Der DOSB ist nicht annähernd so gut gebettet, doch das Verhältnis ist ungefähr das gleiche. Etwa sechs der 30,5 Millionen Euro an Einnahmen stammten 2015 aus der olympischen Vermarktung. Eine Aufweichung des Sponsorenschutzes wäre für beide Verbände eine ernste Bedrohung. Das IOC müsste zudem einen Dominoeffekt fürchten: Sollten sich Wettbewerbshüter erst mal am europäischen Kernmarkt abgearbeitet haben, könnte dies nur der Anfang gewesen sein.
Zu sagen haben IOC und DOSB wenig bis nichts zu dem Fall, mit Verweis auf das laufende Verfahren verzichtete man auf Anfrage auf einen inhaltlichen Kommentar. Man kooperiere »in Koordination mit dem DOSB«, ließ das IOC wissen.
Auch die Wettbewerbshüter wollten nicht ins Detail gehen. Das Verfahren läuft seit etwa neun Monaten. Neben kritischen Presseberichten über die »Rule fourty« sei eine Beschwerde des Bundesverbandes der deutschen Sportartikel-Industrie (BSI) ausschlaggebend gewesen für dessen Einleitung. BSI-Geschäftsführerin Nicole Espey sagte: »Der Aufwand, den das IOC mit der Regel 40 der IOC-Charta zum Sponsorenschutz betreibt, ist aus unserer Sicht nicht notwendig und schwer nachvollziehbar.« Der Sponsorenschutz, wie er bei der Fußball-WM oder anderen Großveranstaltungen praktiziert werde, sei »vollkommen ausreichend«.
Das Bundeskartellamt wies darauf hin, dass »derartige Verfahren, sofern ein kartellrechtlicher Verstoß festgestellt wird, mit einer sogenannten Abstellungsverfügung abschließen, in der dem Unternehmen auch die erforderlichen Abhilfemaßnahmen vorgegeben werden können« - Zwangsmaßnahmen also. Möglich sei, dass sich alle Beteiligten auf vorzunehmende Änderungen einigen.
Nach Paragraf 32.2(a) des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung könnten dem chronisch klammen DOSB hohe Nachzahlungen drohen. Der Kölner Sportrechtler Jan F. Orth spricht von »einer Art Abschöpfung der finanziellen Vorteile, die die Verbände erwirtschaftet« hätten. Da käme schnell »eine ziemlich hohe Summe« zusammen. Weidner bezeichnet dieses Szenario allerdings als unwahrscheinlich. SID/nd
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