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  • Briqueville / Lee Ranaldo

Schwarze Roben und karierte Baumwollhemden

Es gibt sie noch, die Gitarre: Belgischer Post-Metal und Indie-Rock eines ehemaligen Sonic-Youth-Gitarristen

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Kraft der Repetition ist eine schaffende Kraft. Repetition kann viel mehr und Ergreifenderes leisten als die beiden alten Langweiler Variation und Vielfalt.

So fängt das zweite Album der belgischen Metalband Briqueville auch an: Das Riff wird einfach stur wiederholt, als würde mit der Faust immer stoisch auf dieselbe Stelle geschlagen. Bis es sich schließlich in einer Kakophonie kunstvoll aufeinandergeschichteter Krachpassagen verliert. Das ist ein schöner, unnachgiebiger Anfang.

Wie sich auch insgesamt dieser größtenteils in Slow-Motion vor sich hinströmenden und -rumpelnden Musik eine gewisse bohrende Unbedingtheit und Beharrlichkeit zuschreiben lässt. Tatsächlich aber ist das Dröhnen und Brummen nicht annähernd so monoton und stumpfsinnig, wie es idealerweise sein könnte, was ein kleines bisschen schade ist: Hie und da werden melancholisch-traurige Weisen behutsam in den sich träge dahinwälzenden Doom-Metal geflochten. »Spiritual Metal« nennt das die Zeitschrift »Intro«.

Man scheut also bei Briqueville vor der radikalen Konsequenz von stilistisch entfernt verwandten Bands wie den Kaliforniern Sunn O))), den mönchskuttentragenden Hohepriestern des heiligen Brummtons, zurück. Man treibt die Reduktion und die totale Befreiung von der Melodie nicht so weit, dass die Musik zu einer einzigen, aus einem einzigen Basston bestehenden massiven Lärmwand gerät. Wie gesagt: schade eigentlich.

Passend dazu zeigt das Cover einen gewaltigen Haufen aus aufeinandergeschichteten Tierknochen und -gerippen, der die dahinter befindlichen grünen Laubbäume fast ganz verdeckt, als sollte dem Hörer mitgeteilt werden: Schau, das ist das, was vom Leben übrig bleibt: ein Haufen Knochen, ein Müllberg, der ausschaut wie ein Monument der Vergänglichkeit des Daseins und der die schöne Landschaft verdreckt. Übrigens wird in kaum einem Medium vergessen zu erwähnen, dass die Musiker von Briqueville bei Auftritten in »schwarze Roben« gehüllt sind und Masken tragen, weil sie nicht mit ihren Gesichtern bzw. ihrer menschlichen Präsenz von der Kraft der von ihnen erzeugten hypnotischen Klangkaskaden ablenken möchten. Nun ja.

Auch der mittlerweile 61-jährige New Yorker Kunstfex, Gitarrensammler und Gitarrenfeedbackexperte Lee Ranaldo, den man von der einst überaus einflussreichen, mittlerweile aufgelösten Noisepopgruppe Sonic Youth kennt und der in den 80er Jahren für eine kühne Erweiterung der klanglichen Möglichkeiten der in alten Mustern festgefahrenen Rockmusik sorgte, hat ein neues Album gemacht, auf dessen Cover lustigerweise auch grüne Laubbäume abgebildet sind, die eine Fahrbahn einrahmen, auf der wiederum die sich ineinander verschlängelnden Fahrspuren eines Fahrzeugs zu erkennen sind.

Sein alter Sonic-Youth-Kollege, der Schlagzeuger Steve Shelley, ist hier auch mit von der Partie.

Ranaldo ist allerdings heute kein wagemutiger Experimentator mehr, sondern einer, der gern klassisches Indierock-Songwriting mit Hippiegeräuschen anreichert. Sein neues Soloalbum beginnt er mit freundlichem Klangschalengebimmel, Windspielgedengel und allerlei zartem Glockengeläute, was zeigt, dass er noch immer eine Vorliebe für das Spiel mit diversesten Klang erzeugenden Materialien hat. Der »Spiegel« bezeichnete den Song als »Psychedelic-Kraut-Gedaddel«. Doch auch die akustische Gitarre, in deren Sound Ranaldo sich in jüngerer Zeit regelrecht vernarrt zeigt, hat hier eine Hauptrolle.

Überhaupt klingt das alles sehr US-amerikanisch und traditionsverliebt mit seinen ganzen Slide-, Steel-, Klingklang-, Wander-, Country-, Folk- und Leiergitarren, nach Landschaft, Staub und Vorstädten und karierten Baumwollhemden, aber eben auch recht bieder, um nicht zu sagen antiquiert, was unter anderem daran liegen mag, dass auch der Gitarrist der Indie-Country-Folkband Wilco, Nels Cline, zur Begleitbend zählt.

Mehrere der vieldeutigen, melancholiegetränkten Texte hat Ranaldo übrigens gemeinsam mit dem New Yorker Schriftsteller Jonathan Lethem geschrieben.

Briqueville: »II« (Pelagic Records/Cargo Records)

Lee Ranaldo: »Electric Trim« (Mute/Rough Trade)

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