Westen scheut vor harten Myanmar-Sanktionen zurück
US-Außenminister Rex Tillerson hat am Donnerstag in einem Telefonat mit dem myanmarischen Armeechef Min Aung Hlaing darauf gedrungen, dass die Sicherheitskräfte die Regierung dabei unterstützen sollten, der Gewalt gegen die muslimische Minderheit der Rohingya im Bundesstaat Rakhine ein Ende zu bereiten und den Flüchtlingen eine sichere Rückkehr zu ermöglichen. Doch vor ernsthaften Sanktionen schrecken USA wie EU weiterhin zurück. Washington hat zwar Einreiseverbote gegen führende Militärs verhängt, die EU-Außenminister kündigten ähnliche Maßnahmen an. Doch die Vertreibungen gehen weiter. Ein Vertreter Bangladeschs sagte diese Woche, täglich kämen weiterhin Tausende in den Lagern an der Grenze an. Laut UN-Angaben sind mittlerweile mehr als eine halbe Million Menschen in das Nachbarland geflüchtet. Die Organisation spricht von einer »ethnischen Säuberung wie aus dem Lehrbuch«.
Trotz der inzwischen gut belegten Gewalt der myanmarischen Sicherheitskräfte belässt es der Westen bislang bei der Androhung von Wirtschaftssanktionen, wie sie zahlreiche Menschenrechtsorganisationen fordern. Die bisher verhängten Maßnahmen gehen ihnen längst nicht weit genug. Jahrzehntelang hatten EU und USA das südostasiatische Land isoliert. Erst nach seinen demokratischen Reformen 2011 wurde der Pariastaat rehabilitiert. Abgesehen von einem Waffenembargo stoppte die EU 2013 ihre Sanktionen; die USA beendeten letzte Strafmaßnahmen gegen rund 50 Personen im Herbst 2016. Der Westen feierte Myanmars vermeintliche Liberalisierung als Siegeszug der Demokratie und sah in dem rohstoffreichen Land mit mehr als 50 Millionen Einwohnern einen neuen Wachstumsmarkt.
Strafen gegen einzelne hohe Militärs könnten da eine schwere Belastung für die noch zaghaften Wirtschaftsbeziehungen sein. Ein Großteil der Wirtschaft ist unter Kontrolle der Militärs: Sind Geschäfte mit ihnen verboten, ist der Marktzugang zu dem südostasiatischen Land deutlich erschwert, in vielen Branchen praktisch unmöglich. Besonders im Rohstoffsektor haben zahlreiche Generäle ihre Hände im Spiel.
Beobachter bezweifeln allerdings auch, dass Strafen überhaupt die gewünschte Wirkung entfalten könnten. Stattdessen würden sie nur den künftigen Spielraum für Diplomatie einschränken. Tatsächlich dürften vielen Generälen Wirtschaftssanktionen des Westens ziemlich egal sein. Mehr als die Hälfte der Exporte des Landes geht nach China. Der Anteil der bisherigen Direktinvestitionen aus den USA und Deutschland beträgt zusammengenommen weniger als ein Prozent. In den vergangenen Wochen hat China Myanmars Vorgehen stets verteidigt. Das Land spielt eine zentrale Rolle in Pekings Seidenstraße-Initiative, mit der man die Handelswege ausbauen will.
Ausgerechnet durch die Konfliktregion Rakhine, wo nun die ethnischen Säuberungen stattfinden, haben die Chinesen eine Ölrohrleitung gebaut, eine für Gas ist noch im Bau. Mit ihnen sichert sich China direkten Zugang zum Indischen Ozean. Die Rohrleitungen führen zu einem geplanten Tiefseehafen bei Kyaukphyu. Bei dem rund sieben Milliarden Dollar teuren Großprojekt könnte China rund 70 Prozent übernehmen und so rund sechs Prozent seiner Öl- und Gasnachfrage decken. Doch sind die Beziehungen auch nicht spannungsfrei. Manche in Myanmar befürchten einen zu großen Einfluss des großen Nachbarn.
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