- Politik
- Gewalt gegen Frauen
Frauenhäuser wiesen 13.000 Schutzsuchende ab
Medienrecherche: Schutzräume sind chronishc unterfinanziert und können nicht genug Frauen aufnehmen
Berlin. Dass Frauen von ihren Partnern geschlagen werden, ist in Deutschland Alltag: Jede vierte Frau erlebt in ihrer Beziehung sexualisierte oder körperliche Gewalt. 2015 wurden laut Bundeskriminalamt rund 104.000 Fälle angezeigt, in denen Frauen von ihrem Partner getötet, vergewaltigt, verletzt oder gestalkt wurden. Und obwohl nur wenige Betroffene zur Polizei gehen oder professionelle Hilfe suchen, wurden 2016 rund 13.500 Frauen von Frauenhäusern abgewiesen – wegen Überbelegung. Zu dieser Einschätzung kam eine Recherche der Online-Plattform »BuzzFeed News«, die alle zuständigen Ministerien und Verwaltungsbehörden der Bundesländer dazu befragte.
Ob schutzbedürftige Frauen, die vor ihren gewalttätigen Partnern, Brüdern oder Vätern in ein Frauenhaus fliehen wollen, diesen Schutz auch finden, hängt dabei stark von ihrem Bundesland ab. In Nordrhein-Westfalen wurden mit über 6.000 Frauen am meisten Schutzsuchende abgewiesen; gleichzeitig bietet das bevölkerungsreichste Bundesland nominell am meisten Plätze an. In Bayern findet etwa jede zweite Frau, die Hilfe sucht, keinen Platz.
Insgesamt gibt es in Deutschland rund 7.000 Plätze in 367 Frauenhäusern und Schutzwohnungen. Der Zusammenschluss autonomer Frauenhäuser in Deutschland schätzt die Zahl der jährlich schutzsuchenden Frauen jedoch auf das Doppelte, auf rund 18.000. Die Zahl der schutzsuchenden Frauen nimmt in den vergangenen Jahren dabei stetig zu, gleichzeitig bleiben sie immer länger in diesen Einrichtungen. In Berlin beträgt die durchschnittliche Verweildauer rund 52 Tage, meldet »Buzzfeed« unter Bezug auf den Senat.
Als Grund für die fehlenden Hilfsangebote nennen Politiker*innen und Frauenrechtsorganisationen seit Jahren die Unterfinanzierung von Frauenhäusern. Bislang finanzieren sich die Frauenhäuser aus Spenden und freiwilligen Förderungen von Ländern und Kommunen. Oft wird die Finanzierung zudem auf Sozialleistungen der Betroffenen umgelegt. Laut Buzzfeed werden in vielen Bundesländern nur 20 Cent pro Bürger*in für die Finanzierung von Frauenschutzräumen bereit gestellt. Bayern stellt von den befragten Bundesländern am wenigsten Geld für Frauenhäuser bereit.
Die Zahlen der »Buzzfeed«-Recherche sind jedoch mit Vorsicht zu genießen, worauf die Autor*innen selbst hinweisen. So konnten sieben Bundesländer keine Angaben darüber machen, wie viele Frauen 2016 keinen Platz mehr in einem Schutzraum bekamen, obwohl sie ihn suchten. Gleichzeitig liegen nicht genug Zahlen darüber vor, wie viele Frauen tatsächlich nach einer Schutzwohnung suchen. nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.