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Vattenfall macht sich sauber

Energiekonzern will neue Anlage in Betrieb nehmen, Kritiker bezweifeln Nutzen

  • Tim Zülch
  • Lesedauer: 3 Min.

Europas größte Power-to-Heat-Anlage - also Strom in Wärme umzuwandeln - soll im Kraftwerk Reuter in Spandau entstehen. Am kommenden Montag plant Vattenfall den Spatenstich für den Austausch des Steinkohleblocks durch »drei hochflexible und effiziente Heißwassererzeuger« mit einer Gesamtkapazität von 120 Megawatt, die dann den Block C mit Steinkohleverfeuerung ersetzen werden. Insgesamt 100 Millionen Euro will Vattenfall dort in rund zwei Jahren Bauzeit investieren. Nach dem Prinzip des »Tauchsieders« werde dann dort Strom heißes Wasser erzeugen, das in das Fernwärmenetz eingespeist wird und rund 30 000 Haushalte mit Wärme und heißem Wasser versorgen kann. Vattenfall will damit den Ausbau der Fernwärme vorantreiben.

Erst Mitte Oktober hatte das Unternehmen mit dem Bau eines Kraftwerks am Standort Marzahn begonnen, das mithilfe von Kraft-Wärme-Kopplung in der Lage ist, neben Strom auch Wärme für das Fernwärmenetz zu erzeugen. Das ist auch ein Ersatz für das im vergangenen Mai vom Netz gegangene Braunkohlekraftwerk Klingenberg. Vattenfall sieht die Baumaßnahmen als weiteren Schritt zur Umsetzung der mit dem Senat 2009 geschlossenen Klimavereinbarung, in der eine Halbierung des CO2-Ausstoßes vereinbart wurde.

Vattenfalls Deutschland-Chef Tuomo Hatakka sagt anlässlich des bevorstehenden Spatenstichs in Spandau: »Mit unserer nun zweiten großen Investitionsentscheidung für die Berliner Fernwärme in diesem Jahr untermauern wir abermals unser Bekenntnis zum Standort Berlin und unterstützen die Landesregierung einmal mehr in ihrem Bestreben, bis zum Jahr 2050 Klimaneutralität für Berlin zu erreichen.« Neben Power-to-Heat setze man »zunehmend auf die Integration erneuerbarer Energien, zum Beispiel in Form von Abwärme- und Biomasse-Nutzung«.

Fernwärme wird allgemein als sinnvolle Möglichkeit angesehen, Haushalte mit Strom zu versorgen. Laut Vattenfall gebe es dort durch kontinuierliche Überwachung »so gut wie keine Wärmeverluste«. Rund eine Million Berliner Haushalte sind dem Fernwärmenetz von Vattenfall angeschlossen. Dabei zirkuliert rund 135 Grad heißes Wasser im meist unterirdischen Verbundnetz Berlins auf einer Länge von rund 1775 Kilometern.

Oliver Powalla von der Initiative »Kohleausstieg Berlin« freut sich zwar, wie er sagt, über die »Experimentierfreudigkeit« Vattenfalls. Er sieht den klimatischen Nutzen aber nur, wenn die Anlage mit sauberem Ökostrom betrieben wird und nicht mit Kohle- oder Kernenergie. Das räumt auch Vattenfall in seiner Pressemitteilung ein. Danach sei die Anlage »besonders nachhaltig und effizient in Kombination mit einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage oder bei der Aufnahme überschüssiger Windstrommengen«. Nur gebe es diese überschüssigen Windstrommengen in Berlin momentan gar nicht, sagt Powalla. »In Neukölln steht eine rund zehnmal kleinere Power-to-Heat-Anlage. Soweit ich weiß, steht diese die meiste Zeit still und kommt nur auf 20 bis 30 Betriebsstunden im Jahr.« Er vermutet eher, dass Vattenfall darauf spekuliert, die Anlage nicht zu nutzen, um aus der Kohleverstromung auszusteigen, sondern um die Produktion mit Kohle hochzuhalten und so durch günstige Tarife an der Strombörse bei Überproduktion billigen Strom für die Power-to-Heat-Anlagen nutzen zu können. Grundsätzlich sei aber eine Technik sinnvoll, die zukünftige Überproduktion von Windrädern nutzen kann.

In Berlin soll nach dem Ausstieg aus der Braunkohle bis 2030 keine Steinkohle mehr verbrannt werden. Ein Ziel, zu dem sich auch Vattenfall bekannt hat.

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