Gipfel der Gegensätze
Trotz des Dortmunder Abschwungs richtet sich der FC Bayern auf ein kniffliges Topspiel ein
Jupp Heynckes kam im blauen Trainingsanzug, und die Kleiderwahl des Münchner Trainers ließ sich durchaus symbolisch verstehen. Wenn man so will, hatte sich der 72-Jährige am Freitag für den Blaumann statt fürs Feiertagsgewand entschieden, als es um den Ligagipfel des Tabellenführers FC Bayern beim Zweiten Borussia Dortmund an diesem Samstag ging. Das hatte zwar vor allem damit zu tun, dass das Abschlusstraining an der Säbener Straße noch anstand. Doch in den Ausführungen von Heynckes wurde auch deutlich, wie viel Arbeit er beim BVB erwartet. Und das trotz des markanten Abschwungs, der die Borussia erfasst hat. »Wenn solche Mannschaften aufeinander treffen, gilt all das nicht, was vorher war«, warnte Heynckes, »das wird ein sehr intensiv geführtes Spiel auf Augenhöhe.«
Ein Gipfel der Gegensätze ist es vor allem im Vorhinein. Auf der einen Seite stehen die Dortmunder, die in Bundesliga und Champions League bereits seit fünf Spielen auf einen Sieg warten und am Mittwoch das ernüchternde 1:1 im Heimspiel gegen Apoel Nikosia aus Zypern hinnehmen mussten. Nur im Pokal gelang zuletzt ein Sieg, beim Drittligisten 1. FC Magdeburg (5:0). Auf der anderen Seite haben die Bayern alle sechs Spiele gewonnen, seit Heynckes wieder ihr Trainer ist. »Vielleicht kommt das Spiel gegen die Münchner zum richtigen Moment. Vielleicht erwartet man weniger von uns«, versuchte Dortmunds Trainer Peter Bosz die konträre Entwicklung hoffnungsvoll zu deuten. »Wir haben viel Selbstbewusstsein. Und der Druck liegt nicht bei uns«, hielt Bayerns Flügelspieler Arjen Robben dagegen.
Heynckes kann mit der Erwartung des Publikums wenig anfangen, wonach die Dienstreise nach Westfalen nun beinahe schon zwangsläufig den siebten Sieg hintereinander mit sich bringen wird. Gegen den FC Bayern sei es »ganz klar, dass sich Borussia Dortmund anders präsentieren wird als in den letzten Wochen«, prognostizierte er. »Konzentrierter und motivierter« erwartet Heynckes die Mannschaft seines in die Kritik geratenen Kollegen und zudem einen Klassiker »mit allen Zutaten des modernen Fußballs«. Heynckes befand: »Es gibt für mich keinen klaren Favoriten, obwohl Borussia Dortmund in den letzten Wochen ein bisschen geschwächelt hat und wir eine Siegesserie hingelegt haben.« Er empfahl, »mit Optimismus, aber auch mit Realismus« zum BVB zu fahren, der ebenso wie der FC Bayern und RB Leipzig »Mitfavorit« auf den Titel sei.
Sicherlich sind diese Warnungen auch vom Ansinnen getragen, in seiner Belegschaft keinen Übermut aufkommen zu lassen und die Spannung hoch zu halten. Vor allem nach dem imposanten Aufschwung, den die Münchner unter Heynckes erlebt haben. Im Pokal und in der Champions League sind sie ins Achtelfinale eingezogen, in der Bundesliga verwandelten sie binnen drei Spielen einen Rückstand von fünf Punkten in drei Punkte Vorsprung, weil der BVB in diesem Zeitraum nur einen Zähler holte. Mit einen weiteren Erfolg könnten sich die Bayern auf womöglich vorentscheidende sechs Punkte von der Borussia absetzen, auf Leipzig wären es dann mindestens vier.
»Wir wollen unsere Siegesserie fortführen«, gab Heynckes vor dem letzten Kraftakt vor der Länderspielpause zuversichtlich in Auftrag, verknüpfte diesen aber vorsichtshalber mit einer Forderung: »Ich wünsche mir von meiner Mannschaft, dass wird noch eine Schippe drauflegen. Wir haben noch riesige Ressourcen.« Zu diesen zählt auch Stürmer Robert Lewandowski, der wegen seiner muskulären Beschwerden die Dienstreise in der Champions League zu Celtic Glasgow ausgelassen hatte, nun aber wieder zur Verfügung steht. »Er hat überhaupt keine Beschwerden und ist hochmotiviert«, sagte der Trainer.
Der Vergleich der beiden Topstürmer beider Mannschaften fügt sich ins Bild des Gipfels der Gegensätze. Zwar liegen Lewandowski und Dortmunds Pierre-Emerick Aubameyang in der Liga mit je zehn Toren gleichauf, der BVB-Angreifer wartet aber bereits seit vier Spielen auf einen Treffer. Noch so eine Serie, die eher gegen die Borussia spricht. Andererseits, daran erinnerte Ottmar Hitzfeld, der mit beiden Vereinen einst die Meisterschaft und Champions League gewann: »Dieses Duell bietet dem BVB die Riesenchance, mit einem Schlag zurück in die Erfolgsspur zu kommen.« Und zurück an die Tabellenspitze. Auch daran hat Heynckes bei seinen Warnungen sicherlich gedacht.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.