Wien: Pilz gibt auf
Belästigungsvorwürfe gegen prominenten Politiker
Die Welle der Enthüllungen alter Sexvergehen hat nun auch in Wien einen prominenten Politiker hinweggespült. Mit Peter Pilz erwischte es ausgerechnet einen, der sich selbst in über 30 Jahren als Parlamentarier einen Namen als Enthüller gemacht hat, etwa als er vor zwei Jahren im Zuge des NSA-Affäre die Spionagekooperation des BND mit den USA in Österreich aufdeckte. Eine andere Affäre hängte der Mitbegründer der Grünen damals nicht an die große Glocke: Eine Mitarbeiterin warf ihrem Chef im Dezember 2015 sexuelle Belästigung vor.
Erst jetzt wurde öffentlich, dass die Frau rund 40 einschlägige Fälle dokumentiert haben soll - von unpassenden Anreden über Aufforderungen, das »Höschen einzupacken« und mit Pilz auf Urlaub zu fahren, bis hin zu unsittlichen Berührungen. Die Partei hielt damals dicht. Mittlerweile hat sich das Verhältnis zwischen Pilz und den Grünen aber grundlegend geändert. Im Vorfeld der Nationalratswahl war es zum Bruch gekommen, nachdem der grüne Star keinen sicheren Listenplatz erhalten hatte.
Beleidigt kehrte Pilz seiner Partei den Rücken und gründete eine eigene. Diese »Liste Pilz« wurde zum Sargnagel der Grünen im Wiener Parlament. Während sie mit 4,4 Prozent die Vier-Prozent-Hürde übersprang, flogen die Alt-Grünen mit nur noch 3,8 Prozent der Stimmen nach 31 Jahren aus dem Nationalrat. Damit erklärt Pilz auch die nun mit Verspätung doch noch an die Öffentlichkeit gelangten Vorwürfe und inszeniert sich selbst als Opfer. Auf einer Pressekonferenz bestritt er am Samstag die Vorwürfe der »ehrgeizigen« Mitarbeiterin: Sie hätte eine Beförderung verlangt, die er nicht gewähren wollte. Die nun kursierenden Anschuldigungen seien »frei erfunden«. Pilz kündigte an, sich mit allen Mitteln zur Wehr setzen zu wollen.
Trotzdem fehlt er am Donnerstag bei der konstituierenden Sitzung des neuen Nationalrates: Er wird sein Mandat nicht annehmen - was er jedoch nicht als Schuldeingeständnis verstanden wissen will. Aber das Magazin »Falter« berichtete von den Erlebnissen einer jungen Mitarbeiterin der Europäischen Volkspartei mit einem betrunkenen Abgeordneten am Rande des Europäischen Forums Alpbach 2013. Dafür soll es zwei Zeugen geben. Pilz gibt zwar nichts zu, schließt aber hier auch nichts aus. Er kann sich einfach nicht erinnern. Doch das sei keine Entschuldigung, deshalb der Mandatsverzicht - womit auch das Schicksal der »Liste Pilz« besiegelt sein dürfte.
Übergriffe in Großbritannien
Der Skandal um sexuelle Übergriffe in der britischen Politik weitet sich aus. Nach Verteidigungsminister Michael Fallon trat am Samstag auch Schottlands Staatssekretär für Kinderbetreuung, Mark McDonald, wegen möglichen Fehlverhaltens zurück. Am Freitag hatten die Konservativen ihren Abgeordneten für Dover, Charlie Elphicke, vorläufig aus der Partei ausgeschlossen. Premierministerin Theresa May stellte am Freitagabend einen Verhaltenskodex für konservative Politiker vor. Zugleich forderte sie parteiübergreifende Mechanismen, um Belästigungsvorwürfen nachzugehen. Am Montag will sie das mit anderen Parteichefs beraten. dpa/nd
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