Mehr als spektakuläre Einzelfälle

Die Paradise Papers beweisen, dass Reiche nicht nur deswegen reicher werden, weil sie so viel arbeiten, meint Sarah Godar

  • Sarah Godar
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist wieder soweit. Nach LuxLeaks und den Panama Papers ergießt sich eine neue Flut empörender Details aus dem internationalen Schattenfinanzgeschäft über die Nachrichtenspalten: deutsche Milliardärinnen, die den Staat um die Erbschaftsteuer prellen; Investoren, die sich billigen Zugang zu kongolesischen Bodenschätzen durch Bestechung verschaffen; eine Queen, die indirekt an Abzockergeschäften mit Staubsaugern mitverdient. Was zeigen die Paradise Papers abgesehen von spektakulären Einzelfällen?

Im Zentrum des Skandals steht dieses Mal die Kanzlei Appleby. Im Unterschied zur panamaischen Firma Mossack-Fonseca berät sie auch multinationale Firmen und ist eine der größten international führenden Kanzleien im Offshore-Geschäft. Sie operiert in einer Vielzahl berühmter Steueroasen, die allesamt britisches Erbe aufgedrückt bekamen, darunter die britischen Überseegebiete wie Bermuda und die Kaimaninseln, Kronbesitzungen wie Jersey und die Isle of Man und ehemalige Kronkolonien wie Hongkong und Mauritius. Die internationale Schattenfinanzindustrie ist keine Erfindung karibischer Schurkenstaaten, sondern sie spricht mit Sicherheit feinstes Cambridge-Englisch.

Das jetzige Leak zeigt einen anderen, weiteren Ausschnitt des Geheimhaltungsbusiness. Dieses Mal stehen daher nicht nur Putins Freunde im Zentrum der Aufregung, sondern in den Daten tauchen auch viel mehr US-amerikanische Namen und westeuropäische Firmen auf. Das ist gut so, denn es verdeutlicht: Auch die EU und die USA haben ein Problem mit Doppelstandards für die Reichen und Mächtigen und sie haben auch ein ziemliches Problem mit ihren eigenen Steueroasen, wie das Beispiel Nike in den Niederlanden illustriert.

Nike verkauft keine Schuhe in Deutschland?! Diese Zusammenfassung des Steuersparmodells von Nike Deutschland unter Einbeziehung von vier niederländischen Firmen ist natürlich verkürzt, dafür witzig. Die Niederlande sind ein gutes Beispiel dafür, wie schwierig es ist, sich auf eine allgemeingültige Definition von Steueroase zu einigen. Denn zur erfolgreichen Steuerflucht wird in der Regel mehr benötigt als eine Insel mit Nullsteuersatz, nämlich auch Möglichkeiten der Geheimhaltung und lasche Vorschriften bei der Unternehmensgründung.

Die Niederlande aber haben weder extrem niedrige Unternehmenssteuersätze, noch sind sie besonders intransparent. Allerdings erheben sie keine Steuern auf den Transfer von Kapital in andere Länder in Form von Zinsen oder Lizenzgebühren und haben ein breites Netz an Doppelbesteuerungsabkommen, das sie zu einem beliebten Zwischenstopp für Unternehmensgewinne macht. Gerade bei der Steuergestaltung multinationaler Firmen machen sich viele Regierungen zu Komplizen der Multis, indem sie zulassen, dass zwischen Steuerbehörden und Unternehmen Steuerdeals zulasten anderer Staaten ausgehandelt werden.

Die Paradise Papers erlauben es auch Bürgerlichen, sich endlich mal über die Reichen zu beschweren, ohne dass ihnen direkt Neid unterstellt wird. Denn zwischen Ungerechtigkeitsempfinden und Neid ist ein Unterschied, auch wenn die deutsche Erbenlobby das nicht wahrhaben will. Die Paradise Papers liefern Belege dafür, dass Reiche nicht nur deswegen immer reicher werden, weil sie so unendlich viel arbeiten. Mit Hilfe von Banken und Beratungsfirmen wurde für sie ein Paralleluniversum geschaffen, in dem schon die Bearbeitungsgebühr den Monatslohn einiger Menschen übersteigt. Dass die »Bild« mit ihrer »Sind die kleinen Leute wirklich ehrlicher als die Reichen«-Titelseite verzweifelt versucht, doch empfundene Klassenunterschiede wieder zu verwischen, spricht Bände. Es geht auch um die mühsam konstruierte Legitimität des Reichtums, die durch Skandale wie die Paradise Papers Kratzer bekommt.

Dass es sich trotz Kompliziertheit dennoch lohnt, auf Reformen zu drängen, zeigt der Aufschrei, der bei jedem Vorschlag zur Herstellung von mehr Transparenz (öffentliche Register der Firmen- und Immobilieneigentümer, öffentliche länderbezogene Berichterstattung multinationaler Unternehmen) durch die Lobbyistenreihen geht. Hier werden regelmäßig das Ende des Wirtschaftsstandorts Deutschland heraufbeschworen und so viele Lücken in die Gesetzesvorhaben verhandelt, dass zumindest der Verdacht entsteht, doch immerhin an der richtigen Stelle zu bohren.

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