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Yücel fordert rasche Anklage und fairen Prozess
In der Türkei inhaftierter Journalist beklagt Folter / »Solidaritätsrauchen« anlässlich neun Monaten Isolationshaft
Berlin. Der in der Türkei inhaftierte deutsche Journalist Deniz Yücel fordert eine rasche Anklage. »Ich will einen fairen Prozess. Und den am besten gleich morgen«, sagte Yücel der »taz am Wochenende«. Der »Welt«-Korrespondent äußerte sich auch über seine Haftbedingungen. »Isolationshaft ist Folter. Auch wenn ich eigentlich guter Dinge bin, kann ich nicht absehen, welche langfristigen Folgen das haben wird«, sagte er.
Yücel war im Februar wegen angeblicher »Terrorpropaganda« und »Aufwiegelung der Bevölkerung« festgenommen worden. Zwei Wochen später kam er als Untersuchungshäftling in das Gefängnis von Silivri bei Istanbul. Dort sitzt er in Einzelhaft, eine Anklageschrift liegt bislang nicht vor. Nach türkischem Recht können Terrorverdächtige bis zu fünf Jahre lang in Untersuchungshaft bleiben.
Yücels Anwälte haben beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Beschwerde gegen seine Inhaftierung eingelegt. Die Türkei hat nach mehrfacher Fristverlängerung noch bis zum 28. November Zeit, um den Richtern eine Stellungnahme vorzulegen. »Nach all der Verschleppungstaktik der türkischen Seite hoffe ich, dass der Gerichtshof nun zügig handelt«, sagte Yücel: »Und danach werde ich gespannt sein, ob die türkische Regierung ein Urteil aus Straßburg zur Haftentlassung befolgen wird.«
Yücel, der die türkische und deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, macht vor dem EGMR eine Verletzung seiner Rechte auf Freiheit und Sicherheit sowie auf Meinungsfreiheit geltend. Sie sind in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbrieft, die auch für die Türkei gilt.
Yücel erklärte in dem »taz«-Interview, dass er sich über die Anteilnahme aus Deutschland freue. Zu wissen, dass er nicht alleine sei, helfe ihm sehr. Das Interview wurde nach Angaben der Zeitung schriftlich über Yücels Anwälte geführt. Es sei das erste Interview mit Yücel seit seiner Inhaftierung.
Neben Yücel sitzen derzeit nach Angaben des Auswärtigen Amtes acht Deutsche aus politischen Gründen in der Türkei im Gefängnis. Der Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner war Ende Oktober aus der Haft entlassen worden und nach Deutschland zurückgekehrt. Der Prozess gegen die ebenfalls inhaftierte deutsche Journalistin Mesale Tolu hat vor einem Monat begonnen. epd/nd
Für den kommenden Dienstag rufen Unterstützer zu einem Solidaritätsrauchen für den inhaftierten Journalisten auf: »Rauchen für Deniz«, 14.11., 18 Uhr, im »Taz-Café«, Kreuzberg
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