Von der Mühsal des »amtsangemessenen« Feuerns

Schleswig-Holstein: Ein Polizei-Abteilungsleiter in Ungnade wird eben mal Verbraucherschützer - aber wohin mit einem Landespolizeidirektor?

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Führungskrise bei der Polizei in Schleswig-Holstein wabert weiter vor sich hin. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) für zwei Spitzenbeamte den weiteren Werdegang festgelegt hat, die er Anfang des Monats wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Ausrichtung künftiger Polizeiarbeit von ihren Aufgaben entbunden hatte.

Hintergrund ist Mobbing im Polizeibereich, angebliche Einschüchterungsversuche, Aktenmanipulationen in Rocker-Ermittlungen, rassistische Vorfälle während der Polizeiausbildung, ausuferndes Trinkgelage bei der Bereitschaftspolizei.

Ein kontinuierlicher Vertrauensverlust, so Grote, sei der Grund für die Ablösung des bisherigen Polizei-Abteilungsleiters im Innenministerium Jörg Muhlack. Der hatte dort am Mittwoch seinen letzten Arbeitstag, Mitte Februar wechselt er ins Justizministerium und übernimmt dort die Leitung der Abteilung Verbraucherschutz. Auch der bisherige Landespolizeidirektor Ralf Höhs muss gehen. Der 56-Jährige werde zum 1. Januar »unter freistellender Abgeltung erheblich geleisteter und anerkannter Mehrarbeit bis auf Weiteres von seinen Dienstgeschäften entbunden«, teilte das Innenministerium mit. Beide sind verbeamtet auf Lebenszeit. Eine Trennung wegen Vertrauensverlustes ist in diesem Fall kein arbeitsrechtliches Kriterium, und auch von Grote hieß es, er könne Muhlack und Höhs formal keine dienstlichen Vorwürfe machen.

Anders als bei Muhlack existieren für Höhs landesweit nur acht »amtsangemessene« Stellen der Besoldungsgruppe B 3, die für eine Versetzung in Frage kommen - und die sind derzeit alle besetzt. Somit wechselt Höhs zum Jahreswechsel vorerst in den bezahlten Ruhestand. Die beiden Leitungspositionen werden vorübergehend von den bisherigen Stellvertretern Silke Detering im Ministerium sowie Joachim Gutt an der Spitze des Polizeiapparates übernommen, für eine endgültige Nachfolgelösung soll es entsprechende Stellenausschreibungen geben.

Ein Name ist bereits immer wieder zu hören, wenn es darum geht, wer den leitenden Posten Muhlacks im Ministerium übernehmen könnte: Dieter Büddefeld. Er kennt das Innenministerium vorzüglich, ist er doch seit 2011 Leiter des Verfassungsschutzes. Zuvor war er beim Bundeskriminalamt und beim Landeskriminalamt in Brandenburg in der polizeilichen Arbeit aktiv.

Gibt es erst einmal ein wenig mehr Klarheit in Personalfragen, so herrscht in der Leitungsebene der Landespolizei doch weiter Verunsicherung. Der am Mittwoch neu gewählte Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Torsten Jäger, bringt sein Unverständnis für Grotes Entscheidung klar zum Ausdruck: »Ein Problem löse ich nicht damit, dass ich Köpfe austausche.« Die mehr als umfängliche Liste der »Baustelle Landespolizei« bleibt bestehen und ruft nach politischer Aufarbeitung und Aufklärung.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.