Vielfalt und Einfalt
Lena Tietgen findet, dass die Wissenschaft auch die Muttersprache braucht
Die Notwendigkeit einer Lingua Franca unter globalen kapitalistischen Bedingungen führt zu einer Abnahme der Sprachenvielfalt und macht sie zugleich notwendig. Ein Dilemma. Gleichwohl greift auch die Digitalisierung tief ins Sprachgefüge. Sie forciert den globalen Austausch und führt zu einer Renaissance der Piktogramme und der gesprochenen Sprache.
Auch wenn inzwischen der Umgang mit Emoticons und Twitter Verschleißerscheinungen aufweist, verändert dieser Eingriff die einzelne Sprache. In Wirtschaft und Wissenschaft hat sich als standardisierte Form einer Lingua Franca das sogenannte TOEFL-Englisch (Test of English as a Foreign Language) durchgesetzt. Und dieses Durchsetzen ist problematisch. Es ist, wie alle Lingua Franca der Vergangenheit, Ausdruck von Herrschaft und besitzt eine Monopolstellung. Unter Kapitalbedingungen bedeutet ihr Erwerb Kosten. Da tut sich gerade für Studierende und Nachwuchswissenschaftler ein Teufelskreis auf. Sie brauchen die Kenntnisse der Lingua Franca, doch nicht alle haben das Geld.
So wird zum Aussterben der Sprachenvielfalt auch eine Reduktion sozialer und kultureller Vielfalt hinzukommen. Beides aber ist ein Desaster für die Wissenschaft, braucht sie doch die unterschiedlichsten Köpfe und zwar unabhängig vom Geldbeutel. Und sie braucht die Muttersprache in den Disziplinen, in denen Sprache den Gegenstand bedingen.
Ein Ausweg aus dem Deadlock wäre ohne Zweifel TOEFL-Englisch umsonst, am besten schon in der Schule. Es braucht aber auch ein Bewusstsein gegenüber der Muttersprache, das diese als eine von vielen relativiert. Zudem müssen wir uns auch mehr als bisher über Nutzen und Bedeutungen der unterschiedlichen Sprachen und Vielsprachigkeit klar werden. Die Basis dieser Verständigung muss in der Schule gelegt werden.
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