Auf Kuschelkurs
Koalitionäre in Österreich kommen sich näher
Das Drehbuch zur Regierungsbildung in Österreich empfiehlt bisher Harmonie statt Drama. Bei ihren gemeinsamen Auftritten präsentieren sich ÖVP-Chef Sebastian Kurz und der FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache als politisches Duo, das scheinbar nichts trennen kann. Nach dem Wunsch der ÖVP soll die Regierung bis Weihnachten stehen, bis Freitag sollen die 25 Fachgruppen ihre Zwischenergebnisse vorlegen - dann wird klarer werden, wohin die Reise der Alpenrepublik unter Schwarz-Blau gehen könnte. Einzig ihr Lieblingsfeld »Bekämpfung der illegalen Migration« und »Zuwanderung ins Sozialsystem« haben Konservative und Rechtspopulisten öffentlich abgehandelt. Die bisher geltende Obergrenze von aktuell 35 000 Asylverfahren soll von einer noch schärferen Gangart abgelöst werden. Obendrein sollen Asylberechtigte erst nach zehn statt nach sechs Jahren einen Antrag auf Staatsbürgerschaft stellen können; die Mindestsicherung für Neuankömmlinge fünf Jahre lang auf rund 520 Euro gekürzt und für Familien bei 1500 Euro gedeckelt werden.
Zwei Themen mit gewisser Sprengkraft machten in den ersten vier Wochen der Koalitionsverhandlungen Schlagzeilen. So will Bundespräsident Alexander Van der Bellen dem Vernehmen nach sein Vetorecht nutzen, wenn ihm einzelne FPÖ-Ministerkandidaten nicht behagen. Außerdem liebäugelt die FPÖ, offenkundig aus Rücksicht auf die Stammtische der Republik, mit einer Rücknahme des zum 1. Mai 2018 beschlossenen Rauchverbots in der Gastronomie. »Das ist so ziemlich das Blödeste, was man tun kann«, schüttelte der Chef der Universitätenkonferenz, Oliver Vitouch, den Kopf. Österreich ist Europas Schlusslicht im Nichtraucherschutz.
Die Sozialdemokraten - bei der Wahl am 15. Oktober von Platz eins verdrängt - müssen sich derweil in der künftigen Oppositionsrolle erst noch grundsätzlich neu sortieren. Am 27. Januar steht in Wien als wichtigstem SPÖ-Landesverband eine Richtungsentscheidung an. Bei einer Kampfabstimmung müssen sich die 1000 Delegierten zwischen der Öffnung zur FPÖ (Stadtbaurat Michael Ludwig) und einem Werben um Wähler der Grünen (SPÖ-Fraktionschef Andreas Schieder) entscheiden. Pikant: Laut Umfragen könnte ein Bündnis aus SPÖ und FPÖ die bisher absolute Macht der ÖVP in ihrem Stammland Niederösterreich bei der Landtagswahl am 28. Januar brechen. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.