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»Alles ist besser als Mugabe«
Heinrich von Pezold, einer der letzten weißen Farmer Simbabwes hofft auf eine Renaissance des Krisenlandes
Herr von Pezold, wie ist die Stimmung in Simbabwe?
Euphorisch! Vergleichbar mit der Stimmung in der DDR nach dem Fall der Mauer. Und zwar über alle Grenzen hinweg. Egal, ob schwarz oder weiß, Parteimitglied oder nicht, arm oder reich - alle freuen sich, dass Mugabe endgültig der Geschichte angehört. Nur Mugabe selbst, seine Frau Grace, seine Familie und jene Bonzen, die bislang direkt an den Trögen saßen, sind natürlich nicht glücklich über die jüngsten Entwicklungen.
Heinrich von Pezold war einer der ersten weißen Farmer, die Robert Mugabe ab 1999 illegal enteignen ließ, er wurde von den Schergen des Diktators überfallen und mit dem Tod bedroht. Doch der Sohn habsburgischer Landadliger mit deutschem, österreichischem und schweizerischem Pass, ließ sich nicht einschüchtern und ist heute einer der letzten weißen Farmer in Simbabwe, das 1980 unabhängig wurde. Seine Eltern hatten die Forrester Estate-Farm 1988 gekauft.
Auf dem 20.000 Hektar großen Land nördlich der Hauptstadt Harare baut der 45-Jährige, der in London und Oxford Philosophie, Wirtschaft und Geschichte studiert hat, mit 2000 Angestellten Tabak, Gemüse, Soja, Weizen und Zitrusfrüchte an und züchtet Rinder. Rund ein Drittel der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche von Forrester Estate war über 15 Jahre von Mugabe-Getreuen besetzt. Mit von Pezold sprach Philipp Hedemann.
Bislang verlief der Machtwechsel weitestgehend friedlich. Wird das so bleiben?
Das hoffe und denke ich. Es hat sich gezeigt, dass die Polizei, die in Teilen bis zuletzt zu Mugabe hielt, der Armee unterlegen ist. Die Armee war bis zum Putsch verhasst, doch jetzt ist sie zum Sympathieträger avanciert. Sie wird diesen Status nicht verspielen wollen und ist deshalb nicht an einer Eskalation interessiert.
Hatten Sie mit dem Putsch gerechnet?
Nein. Außer für die wenigen Eingeweihten kam das für alle Menschen in Simbabwe absolut überraschend.
Warum wurde Mugabe ausgerechnet jetzt entmachtet?
Das hat drei Gründe. Erstens: Die Wirtschaft ist am Boden, das Land steht kurz vor dem Kollaps. Zweitens: Vizepräsident Emmerson Mnangagwa, der lange als gesetzter Nachfolger Mugabes galt, hat nicht akzeptiert, dass er von Mugabe entlassen wurde, um Platz für seine Frau Grace zu machen. Und drittens: Mugabe ist 93 Jahre alt und geistig nicht mehr in der Lage, das Land zu führen.
Was kriegt Mugabe überhaupt noch mit?
Nicht mehr allzu viel, fürchte ich. Ich habe unlängst einen simbabwischen Minister getroffen. Er sagte mir, dass Mugabe nur noch Informationen verarbeiten kann, die in Schriftgröße 16 auf einen Din A5-Zettel passen. Das sind nur wenige Worte. Außerdem schläft er wohl bis zu 20 Stunden am Tag.
Und dieser Greis hatte bis vor Kurzem die Macht über das ganze Land?
Nein, schon lange nicht mehr. In den vergangenen Jahren war Mugabe wie der Kaiser von China. De facto hat er kaum noch etwas selber entschieden, aber die Clique um ihn herum hat ihn glauben lassen, dass er die uneingeschränkte Macht habe.
Jetzt ist Emmerson Mnangagwa, der wegen seiner Brutalität und Skrupellosigkeit auch »Das Krokodil« genannt wird, der neue, alte, starke Mann in Simbabwe. Ist das gut für das Land?
Ich denke, alles ist besser als Mugabe. Mnangagwa ist schlau. Aber mit der Absetzung Mugabes handelte er zusammen mit dem Militär nicht aus persönlicher Überzeugung, sondern sogar gegen seine politischen Instinkte. Er gehörte bis vor Kurzem zu Mugabes innerem Machtzirkel - und das seit den 80er-Jahren. Er war der Mann fürs Grobe, der auch vor Gräueltaten nicht zurückschreckte. Aber jetzt hat er offenbar erkannt, dass Mugabe zu weit gegangen ist. Mnangagwa zog quasi die Notbremse. Er wollte immer schon an die Macht. Jetzt ist er dort angekommen. Ich hoffe, er nutzt sie nicht zu seinem persönlichen Vorteil, sondern zum Wohl des Landes und seiner Bewohner.
Richtet der Putsch sich nicht auch ebenso gegen Mugabes Ehefrau Grace, die wegen ihres ausschweifenden Lebensstils auch Gucci-Grace genannt wird?
Absolut. Für sie empfindet die Bevölkerung nicht nur wegen ihrer Prunksucht nichts als tiefste Verachtung. In Simbabwe spielen Bildung und Bildungsabschlüsse eine nicht zu überschätzende Rolle. Dass der alte Mugabe seiner über 40 Jahre jüngeren ehemaligen Sekretärin nach nur wenigen Wochen »Forschung« einen Doktortitel verliehen hat, hat die Bevölkerung den beiden nicht verziehen. Als First Lady war Grace Mugabe noch irgendwie erträglich. Aber die Vorstellung, dass sie Regierungschefin wird, war für die Bevölkerung unerträglich. Und das hat nichts mit Chauvinismus zu tun. Wäre Mugabe noch halbwegs zurechnungsfähig und nicht völlig abgehoben, hätte er sie niemals als seine Nachfolgerin aufgebaut.
Wie geht es jetzt für Mugabe und seine Familie weiter?
Möglicherweise hat die Parteiführung ihm für den schnellen Rücktritt einen Deal angeboten, der ihm weitere große Demütigungen ersparen wird. Ich halte es jedoch auch nicht für ausgeschlossen, dass er sich für seine Verbrechen in Simbabwe wird verantworten müssen. Vielleicht wird er jedoch versuchen, sich dem zu entziehen, indem er sich mit seiner Familie ins Ausland absetzt.
Wohin?
Möglichst weit weg. In der Region wird er nicht bleiben können. Möglicherweise geht die Familie nach Malaysia. Mugabe hat dort große Reichtümer. Allerdings müssten wohl vor allem seine Söhne dort ihren Lebensstil ändern. Sich mit Huren und Drogen die Zeit zu vertreiben, wird dort nicht akzeptiert werden.
Welche Aufgabe hat die Internationale Gemeinschaft jetzt?
Sie kann eine entscheidende Rolle spielen. Mugabes Steinzeitfeudalismus war eine Katastrophe für die Wirtschaft, die er nie verstanden hat. Das Land ist dringend auf internationale Investitionen, Kredite und Entwicklungszusammenarbeit angewiesen. Als Voraussetzung für die Unterstützung, muss die Staatengemeinschaft Rechtsstaatlichkeit, eine unabhängige Justiz und eine vernünftige Wirtschaftspolitik einfordern.
Wie sehen Sie Simbabwes Zukunft?
Ich bin vorsichtig optimistisch, dass Simbabwe, das in den vergangenen Jahrzehnten von der Regierung zu Grunde gewirtschaftet wurde, jetzt endlich sein volles Potenzial entfalten kann. Die im afrikanischen Vergleich sehr gut ausgebildete Bevölkerung und die naturgeographischen Gegebenheiten bieten dafür sehr gute Voraussetzungen.
Welche Auswirkungen hat der Putsch für Sie, Ihre Familie und Ihre Farm?
Es ist der Tag, auf den wir seit mindestens 20 Jahren sehnsüchtig gewartet haben. Der Grund, warum wir uns trotz aller Probleme und Anfeindungen entschieden haben, in Simbabwe zu bleiben, war ja nicht die Gegenwart, sondern die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Ob diese Aufbruchzeit wirklich die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllen wird, wird jedoch erst die Zukunft zeigen. Umbrüche sind ja immer auch mit einer erhöhten Unsicherheit verbunden. Die nächsten Monate und Jahre werden sicher ruckelig werden.
Werden jetzt weiße Farmer, die von Mugabe vertrieben wurden, nach Simbabwe zurückkehren?
Mugabe hat in den letzten Jahrzehnten versucht, eine rassistische Gesellschaft zu schaffen, in der alle Weißen die Bösewichte sind. Damit ist er kläglich gescheitert, die Bevölkerung hat das nicht mitgetragen. Ich denke, dass ich als Weißer in der Nach-Mugabe-Ära auf noch weniger Ressentiments stoßen werde. Aber es soll und kann jetzt nicht einfach die Uhr zurückgedreht und der Status quo ante wiederhergestellt werden.
Was heißt das für Sie und die weißen Farmer?
Vor der Reform war das Land ungerecht verteilt. Keine Frage. Aber mit der gewaltsamen und entschädigungslosen Enteignung hat Mugabe den Rechtsstaat aufgegeben. Das war Raub. Da Parteibonzen, die keine Ahnung von Landwirtschaft hatten, riesige Ländereien zugeschanzt bekamen, brach die landwirtschaftliche Produktion komplett ein. Damit die neue Regierung internationale Legitimität gewinnt, müssen die Farmer angemessen entschädigt werden. Und es muss Rechtssicherheit hergestellt werden, die es ausländischen Investoren ermöglicht, sich zu engagieren. Ich freue mich auf die spannenden Zeiten und die Möglichkeiten, die sich jetzt hoffentlich ergeben werden. Ich möchte meinen Anteil zum Wiederaufbau des Landes leisten.
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