Hauptsache: Freunde finden
Amanal Petros floh einst aus Äthiopien nach Deutschland, heute hilft er selbst Geflüchteten
Bei den Team-Europameisterschaften der Leichtathleten 2017 in Lille gab es kaum einen Athleten, der so verbissen kämpfte wie der Neuling über 5000 Meter - und definitiv keinen, der sich so über einen dritten Platz freute wie Amanal Petros. Der Bielefelder, mit 16 über Äthiopien und ohne seine Familie als Asylbewerber in Deutschland gelandet, wurde Dritter und sicherte der Mannschaft damit die Goldmedaille. Der 22-Jährige, der in Eritrea geboren wurde, gewann 2017 auch den 10-km-Straßenmeistertitel. Seit September ist Amanal Petros Sportsoldat bei der Bundeswehr. In seiner Freizeit hilft er mittlerweile anderen Geflüchteten, wie er Jirka Grahl verriet.
nd: Was sind die Trainingsinhalte eines Langstrecklers im Dezember?
Petros: Ich laufe bald Wettkämpfe über 5000 und 10 000 Meter in der Cross-Version. Und die läuft man auch im Winter draußen.
Sie wurden 1995 in Eritrea geboren, Ihre Mutter ist mit Ihnen nach Äthiopien geflohen, als Sie zwei Jahre alt waren. Mit 16 Jahren kamen Sie nach Europa. Auf welchem Weg?
Mit dem Flugzeug, ich musste zum Glück nicht übers Meer fliehen. Es gab jemanden, der mir geholfen hat.
Es verschlug Sie nach Bielefeld, wo Sie bis heute zuhause sind. Was war Ihr erster Eindruck von Deutschland?
Diese Kälte! Ich war wirklich geschockt.
Waren Sie damals schon Sportler?
In meiner Heimat, der Region Tigray in Äthiopien, hab ich am liebsten Fußball gespielt. Ich glaube, ich war der schnellste Läufer in meiner Schule. Zweimal im Jahr gab es einen Wettkampf Schule gegen Schule. Ich habe regelmäßig gewonnen.
Ihre Familie lebt noch dort?
Mein Mutter und meine Schwestern, ja.
Sie haben mit dem Laufen begonnen, weil es Ihnen in der Flüchtlingsunterkunft zu eng war, habe ich gelesen.
Wir waren nur sechs Personen in der Wohnung, das war eigentlich ganz gut. Aber alle kamen aus unterschiedlichen Ländern. Ich hatte keinen, mit dem ich mich unterhalten konnte oder so. Da habe ich gedacht, es wäre besser, wenn ich den Kontakt mit Deutschen suche und sie kennenlerne: Sprache und Kultur.
Wie haben Sie zum Verein gefunden? Sind Sie einfach irgendwo hingegangen und haben gesagt: Hallo, ich bin’s?
Ich war im Flüchtlingsheim einer der Fleißigen. Wir haben zum Beispiel selbst gekocht und aufgeräumt. Die Betreuer haben uns deswegen sehr gut unterstützt. Die haben mich vermittelt - an einen Fußballverein. Doch der Trainer war da nicht zufrieden mit mir: Ich bin ihm zu viel gelaufen und habe zu wenig gespielt.
Wie ging’s weiter?
Ich bin aus Spaß mal 10 000 Meter bei einem Wettkampf mitgelaufen: 35 Minuten war meine Zeit. Da haben die Betreuer gesagt: Geh zu einem Leichtathletikverein!
Kamen dort die Erfolge schnell?
Ja, denn es hat gleich so einen Spaß gemacht! Ich habe Freunde gefunden, wir haben erst trainiert, dann sind wir ins Café, zum Essen oder ins Kino gegangen. Mein Deutsch ist viel besser geworden, ich habe Eure Mentalität kennengelernt. Weil es so Spaß gemacht hat, habe ich vier oder fünf Mal die Woche trainiert, dadurch ist meine Leistung sofort besser geworden.
Haben Sie damals geahnt, dass Sie vielleicht auch mal Ihren Lebensunterhalt mit Laufen bestreiten können?
Niemals, nein. Meine Sprache wollte ich dabei verbessern, um vielleicht schneller einen Beruf zu haben. Das war mein Ziel.
Mittlerweile haben Sie die Realschule abgeschlossen und sind Sportsoldat?
Ja. Die Grundausbildung war hart, so viele Fachbegriffe. Aber jetzt kann ich trainieren, das ist eine Befreiung.
Seit 2015 sind Sie Deutscher. Tun Sie selbst auch etwas für Geflüchtete?
Ja, ich mache einmal die Woche Sport mit Flüchtlingen - in genau dem AWO-Heim, in dem ich damals gelebt habe. Wir spielen Fußball, Basketball oder laufen. Außerdem sammle ich Kleidung für Geflüchtete. Schuhe zum Beispiel. Es gibt Läden, die geben mir Schuhe, die die Leute zurückgebracht haben. Die gebe ich weiter. Jedes Mal Hunderte Paare.
Sind unter den Geflüchteten auch solche Sporttalente wie Sie?
Ja, zwei Läufer und drei Fußballer gerade. Es ist leider schwer im Fußball, die Leute in einen richtigen Verein zu bekommen, obwohl sie Talent haben. Aber egal, sie sind wirklich gut unterwegs. Die haben Spaß und finden Freunde, auch deutsche. Das ist erst einmal wichtig.
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