Der Glyphosat-Eklat zieht weitere Kreise

Umweltschützer und Politiker fordern Einschränkungen des Ackergiftes und den Rücktritt des Agrarministers

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch wenn Bundesagrarminister Christian Schmidt versuchte, mit einem Gesprächsangebot an seine Kollegion Barbara Hendricks (SPD) aus dem Umweltressort die Kritik einzufangen: Die Debatte um die deutsche Zustimmung zur weiteren Zulassung des umstrittenen Totalherbizids zieht in der Regierung weitere Kreise.

Nach einer Rüge durch Kanzlerin Angela Merkel haben sich weitere Politiker zu Wort gemeldet. So hat das Bundeskanzleramt den CSU-Politiker Schmidt noch kurz vor dessen Votum zur Einhaltung der Regierungsgeschäftsordnung ermahnt. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) habe »den Minister am Montagvormittag telefonisch darauf hingewiesen, dass ein abweichendes Stimmverhalten von der Vereinbarung einer vorherigen Abstimmung mit der Bundesministerin bedarf«, sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch. Die Kanzlerin selbst habe erst »mit dem Ergebnis der Abstimmung« vom Umschwung erfahren.

Neben Rücktrittsforderungen stand von Seiten der SPD auch ein Untersuchungsausschuss im Raum. Sollte der Vorfall nicht aufgeklärt werden, »muss man auch überlegen, ob man schärfere Schwerter zieht bis zu einem Untersuchungsausschuss«, sagte der SPD-Politiker Matthias Miersch im ARD-Morgenmagazin. Es gebe viel Aufklärungsbedarf, zum Beispiel, wann und wie Merkel und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer darüber informiert gewesen seien. Laut Recherchen von »Süddeutsche Zeitung«, WDR und NDR hat das Bundesagrarministerium bereits seit Monaten nach Wegen gesucht, in Brüssel trotz des Vetos des Bundesumweltministeriums für einen längeren Einsatz von Glyphosat stimmen zu können. Das Ministerium wies diesen Vorwurf umgehend zurück.

Neben dem politischen Eklat geht die Diskussion weiter, wie Deutschland zukünftig mit dem Ackergiftes umgehen will. Die Präsidentin des Umweltbundesamtes (UBA), Maria Krautzberger, forderte in der »Rheinischen Post«, die nationalen Spielräume auszuschöpfen. »Chemischer Pflanzenschutz ist ohne Zweifel risikobehaftet, denn wenn die Mittel wirken, dann nicht ohne Nebenwirkungen für die Umwelt.« Das bedeute, dass der Einsatz von Mitteln mit starken indirekten Auswirkungen nur noch erlaubt sei, wenn ein Betrieb einen Mindestanteil an Flächen vorweisen könne, auf denen auch Ackerwildkräuter wachsen. »Auf diesen ökologischen Ausgleichsflächen müsste jeglicher chemischer Pflanzenschutz unterbleiben«, forderte die UBA-Chefin. Besonders wichtig sei es, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln insgesamt deutlich zu minimieren und stärker auf Alternativen zu setzen.

Auch das Umweltministerium prüft nach eigenen Angaben Möglichkeiten für strenge Regeln zum Glyphosateinsatz. »Das Engagement der Ministerin richtet sich jetzt darauf, den Wirkstoff hier in Deutschland so weit es geht einzuschränken und da, wo es geht, auch zu verbieten«, sagte ein Ministeriumssprecher. Eine Lösung wie sie der französische Präsident Emmanuel Macron, dessen Regierung gegen eine weitere Zulassung gestimmt hatte, könnte auch hierzulande umgesetzt werden. Macron hatte nach der Entscheidung in Brüssel angekündigt, Glyphosat spätestens in drei Jahren vom Markt zu nehmen. Hendricks bezeichnete das gegenüber dem Deutschlandfunk auch für Deutschland als möglichen »Kompromiss«. Zudem komme es darauf an, tatsächlich mit scharfen Regeln auf die Biodiversität, also auf die Artenvielfalt und das Tierwohl zu achten.

Auch die CDU beteiligte sich an der Debatte, Glyphosat einzuschränken - allerdings nur für den privaten Gebrauch wie Unions-Fraktionsvizechefin Gitta Connemann in der »Neuen Osnabrücker Zeitung« forderte. Allerdings machen die Privathaushalte nur einen geringen Teil aus. Das Julius-Kühn-Institut ging 2015 von einem Einsparpotenzial von 90 Tonnen aus. Im gleichen Jahr hatten mehrere Baumärkte angekündigt, auf Glyphosat zu verzichten. Eine Stichprobe des Umweltverbandes NABU hatte im vergangenen Jahr ergeben, dass diese Ankündigung weitgehend eingehalten wird. Auch zahlreiche Kommunen verwenden das Mittel bereits seit längerem nicht mehr. Das Einsparpotenzial in der Landwirtschaft von rund 5000 Tonnen im Jahr will die Union nach wie vor nicht antasten.

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