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  • Asylpolitik in Berlin

Schnellbau im Schneckentempo

Errichtung modularer Unterkünfte kommt nicht voran / Bedarf nicht nur bei Geflüchteten

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass vieles auf einem guten Weg ist. Die Zahl der in Notunterkünften ohne jede Privatsphäre und ohne Verpflegungsmöglichkeit untergebrachten Flüchtlinge sinkt langsam aber stetig, zum Jahresende könnten es unter 5000 sein. Auch das Ziel, für die Winterperiode mindestens 1000 Notübernachtungsplätze für Obdachlose bereitstellen zu können, wird wohl realisiert werden.

Doch angesichts des ganzen Ausmaßes der Wohnungsnot ist das bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Dabei hatte der Senat ausgesprochen ehrgeizige Pläne. Am 23. Februar 2016 fiel - noch unter dem rot-schwarzen Vorgängersenat - der Beschluss, »unverzüglich« 30 Standorte für sogenannte Containerdörfer auszuweisen und für mindestens 15 000 Menschen bezugsfertig zu machen. Darüber hinaus sollten an 60 Standorten Modularbauten als Unterkünfte für Flüchtlinge (MUF) für bis zu 30 000 Menschen errichtet werden. Bereits bis Ende 2016 sollten MUF für 19 000 Bewohner bezugsfertig sein.

Während die Container als Provisorium mit einer Nutzungsdauer von maximal drei Jahren gedacht sind, handelt es sich bei den MUF um in Schnellbauweise mit Fertigteilen errichtete Wohnbauten, die bis zu 80 Jahre halten sollen. Deren Errichtung war von Beginn an so konzipiert, dass bei nachlassendem Bedarf für die Flüchtlingsunterbringung auch andere Wohnungssuchende, von Studierenden bis hin zu einkommensschwachen Alleinstehenden und Familien, dort einziehen können.

Von diesen Plänen ist - vor allem aufgrund erheblicher Widerstände in den meisten Bezirken - wenig übrig geblieben, wie »nd«-Recherchen beim Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) ergaben. Mitte November waren lediglich acht MUF für 3000 Menschen fertiggestellt und bezogen. Das ist nicht mal ein Sechstel des Unterbringungsziels, das bereits Ende 2016 hätte erreicht werden sollen. Bis Ende des Jahres kommen wahrscheinlich drei weitere hinzu. Auch bei den Container-Unterkünften, die wenigstens ein Minimum an Privatsphäre bieten und die Selbstversorgung ermöglichen, ist man im Verzug. Von den beschlossenen 30 Container-Standorten mit 15 000 Plätzen waren bis Mitte November lediglich zehn mit insgesamt 3000 Plätzen bezogen, sieben weitere mit 2300 Plätzen sind im Bau oder in der Planung,

Bei den Modularbauten wird es auch in naher Zukunft nur tröpfeln. Fünf weitere sollen im kommenden Jahr dazukommen, sechs weitere 2019 und in den beiden folgenden Jahren insgesamt drei. Weitere befinden sich in Planung und eine weitere Tranche von 30 Modularbauten ist laut LAF »noch nicht terminiert«.

Dies bestätigt auch die Finanzverwaltung. »Im Prinzip« halte man an 60 Standorten fest, aber »zeitlich gestreckt«, so eine Sprecherin. Zentrales Problem sei dabei die Bereitstellung der entsprechenden Grundstücke.

Eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales erklärt, dass man nach wie vor das Ziel habe, die Modularbauten für andere Menschen in Wohnungsnotlagen bereitzustellen. Doch zunächst müsse die unwürdige Lebenssituation in den Notaufnahmeeinrichtungen so schnell wie möglich überwunden werden.

Angesichts von derzeit noch rund 5000 Betroffenen ist das naheliegend. Doch bei der Berliner Landesarmutskonferenz (Lak), der über 30 Wohlfahrtsverbände und Initiativen angehören, warnt man davor, das Problem der schnellen Bereitstellung von Unterkünften wie Containern und MUF auf die Not der Flüchtlinge zu beschränken.

Derzeit gibt es in Berlin mindestens 6000 Obdachlose, die mehr oder weniger auf der Straße leben. Dazu kommen 35 000 Menschen, die aufgrund von Wohnungslosigkeit in entsprechenden Einrichtungen untergebracht sind. Trotz oft sehr hoher Kostensätze oftmals in Mehrbettzimmern ohne eigene sanitäre Anlagen und Kochmöglichkeiten.

Rund viertausend dieser Wohnungslosen leben in betreuten Wohnprojekten und sollten nach einiger Zeit wieder reguläre Wohnungen in Eigenverantwortung beziehen. Das sei derzeit »extrem schwierig, da es auf dem Wohnungsmarkt kaum Angebote für diese Menschen gibt«, sagt Lak-Sprecher Hermann Pfahler dem »nd«. Dabei noch gar nicht berücksichtigt ist eine nicht zu beziffernde Grauzone jener Menschen, die sich ohne festen Wohnsitz irgendwie bei Verwandten und Bekannten oder in Hostels durchschlagen, darunter eine wachsende Zahl von Studierenden.

Für viele dieser Betroffenen wären der Zugang zu den MUF, aber in vielen Fällen auch schon zu den Containern, eine reale Verbesserung ihrer Lebenssituation, so Pfahler. Doch diese sind zum größten Teil schlicht nicht gebaut worden und werden es in absehbarer Zeit wohl auch nicht. Und auch der reguläre Bau von bezahlbarem Wohnraum für ärmere Bevölkerungsschichten bleibe weit hinter den Anforderungen einer wachsenden Stadt mit wachsender Armut zurück. Vor diesem Hintergrund sei es absolut inakzeptabel, dass der stadtpolitische Diskurs immer noch in starkem Maße von Gruppen geprägt werde, die Neubau in »ihrem« Stadtteil mit allen Mitteln verzögern und verhindern wollen und »gleichzeitig verlangen, dass Obdachlosigkeit und Armut in ihrem Lebensumfeld möglichst wenig sichtbar sind«, erklärt Pfahler.

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