»Die Durchsuchungen sollen uns als gefährliche Kriminelle darstellen«

Die Gewerkschafterin Julia Kaufmann im Gespräch über die Razzia in ihrer Wohnung

  • Kevin Hoffmann
  • Lesedauer: 2 Min.

Bei den bundesweiten Hausdurchsuchungen gegen G20-Gegner am Dienstag wurden allein in Bonn neun Wohnungen durchsucht, auch Ihre. Wie haben Sie die Durchsuchung erlebt?

Es war etwa 7.15 Uhr und ich war gerade unter der Dusche, dann klopfte es an der Badezimmertür. Die Polizei hat geklopft und gefordertforderte, dass ich heraus komme. Ich habe das zuerst für einen Scherz von meinemmeines Mitbewohners gehalten. Ich bin dann im Bademantel rausgekommen und habe gesehen, dass meine Wohnungstür offen stand und in meinem Flur zehn bis 15 Polizisten in Uniform und Zivil standen. Zunächst wollten die Beamten die gesamte Wohnung durchsuchen, ich habe aber darauf bestanden, dass nur mein Zimmer und die Gemeinschaftsräume durchsucht werden.

Julia Kaufmann

Julia Kaufmann ist Mitglied im Vorstand der ver.di-Jugend NRW-Süd und Sprecherin des bundesweiten Bündnisses „Grundrechte verteidigen“.

Wie ich später erfahren habe, wurde zuvor schon die Wohnung meiner Eltern durchsucht. Dort haben die Beamten die Tür eingeschlagen und im Zimmer meiner zwölfjährigen Schwester Spielzeug beschlagnahmt. Die Polizei beschlagnahmte meinen Computer, Handy, Kamera, USB-Sticks, MP3-Player und mein Notizbuch. Anscheinend wurde auch nach »Waffen« gesucht, die es in unserer Wohnung aber nicht gibt. Weder mir, noch anderen Anwesenden wurde gestattet, während der Durchsuchung unsere Anwältin anzurufen. Erst nachdem ich der Polizei meinen Handy-Pin gegeben hatte, hat diese aus meinem Telefon die Anwaltsnummer herausgesucht und dort angerufen.

Bei ihrer Pressekonferenz hat die Polizei davon gesprochen, dass sie nichts von Einsätzen gegen ver.di-Mitglieder wüsste. Was können Sie dazu sagen?
Diese Behauptung ist absolut lächerlich und unglaubwürdig. Denn von insgesamt 24 Durchsuchungen fanden allein neun in Wohnungen von Mitgliedern des ver.di-Jugend-Vorstands NRW-Süd statt. Entgegen der Schilderungen der Lokalpresse gab es jedoch keine Durchsuchungen im Gewerkschaftshaus selbst. Gerade vor dem Hintergrund, dass Mitglieder des ver.di-Jugendvorstands gerade erst dem NDR ein ausführliches Fernsehinterview gegeben haben, und es auch zuvor zahlreiche Pressemitteilungen der ver.di-Jugend NRW Süd zu diesem Thema gab, ist die Behauptung des Polizeisprechers absurd. Im Gegenteil richteten sich die Durchsuchungen insbesondere gegen uns. Unter den Durchsuchten waren auch zwei minderjährige Mitglieder der ver.di-Jugend.

Wie schätzen Sie den politischen Hintergrund der Durchsuchungen insgesamt ein?Während des G20-Gipfels hat die Polizei genehmigte Camps verboten, angemeldete Demonstrationen aufgelöst, zugelassenen Journalisten die Akkreditierung entzogen. Um diesen Angriff auf die Demonstrations- und Pressefreiheit zu rechtfertigen, benötigt sie nun das Bild des »angeblichen gewaltbereiten Linksextremismus«. Die Hausdurchsuchungen sollen uns als gefährliche Kriminelle darstellen. Doch kriminell ist die Einschränkung unserer Grundrechte und die Politik der G20 – nicht der Protest dagegen.

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