Wunsch nach Anerkennung
Ein beachtlicher Teil der Sachsen ist der Ansicht, dass die Ostdeutschen in der Bundesrepublik nur Bürger zweiter Klasse sind. Das zeigt der kürzlich veröffentlichte »Sachsen-Monitor 2017«, eine von der Staatsregierung beauftragte repräsentative Umfrage, für die das Meinungsforschungsinstitut dimap gut 1000 Menschen im Freistaat befragte. 44 Prozent der Befragten stimmen der These vom Ostdeutschen als Bürger zweiter Klasse voll oder zum Teil zu; 53 Prozent halten sie dagegen nicht für zutreffend. Am höchsten fällt die Zustimmung mit 51 Prozent unter den 45- bis 59-Jährigen aus; auch jeder Zweite der 60- bis 69-Jährigen hält sie für zutreffend. Auffällig hoch war der Wert mit 64 Prozent zudem bei Arbeitslosen.
Sehr viele Sachsen meinen zudem, dass die Leistungen der Ostdeutschen für den Aufbau in den »neuen« Bundesländern zu wenig gewürdigt werden. Diese Feststellung halten 61 Prozent für zutreffend, nur 31 Prozent schlossen sich nicht an. Bei den Menschen zwischen 45 und 59 Jahren, die das Ende der DDR in ihrem frühen Berufsleben erlebten, liegt die Zustimmung sogar bei 73 Prozent. In den Altersgruppen jenseits der 60 vermissen zwei von drei Befragten eine gebührende Anerkennung für Ostdeutsche. Und selbst bei Sachsen unter 30 liegt der Wert noch bei 41 Prozent. Bereits in der ersten derartigen Befragung im Jahr 2016 hatte sich gezeigt, dass Gefühle der Benachteiligung im Osten über die Generationen weitergereicht werden und nicht davon abhängen, ob man die DDR und die Umbruchzeit von 1989/90 selbst miterlebt hat.
Der Wunsch nach mehr Respekt und Anerkennung darf freilich nicht mit einer Sehnsucht nach der DDR verwechselt werden. Mit 63 Prozent erklärt der übergroße Teil der Befragten, dass die Vorteile der deutschen Einheit die Nachteile überwiegen; der gegenteiligen Ansicht sind mit 14 Prozent nur sehr wenige Sachsen. Immerhin jeder Fünfte meint, die Vor- und Nachteile hielten sich die Waage. Allerdings weichen die Werte in einigen sozialen Gruppen auffällig ab. Menschen, die sich selbst der Unterschicht zurechnen, sind nur zu 46 Prozent der Meinung, es überwögen die Vorteile. Je 23 Prozent sehen eher Nachteile oder eine ausgeglichene Bilanz. Kurioserweise sind auch Beamte eher skeptisch. In dieser Gruppe sieht nur gut jeder Zweite die Einheit als überwiegend vorteilhaft an.
Negativer fällt die Bilanz schließlich in einigen Gruppen aus, wenn nach der persönlichen Bilanz der Vereinigung gefragt wird. Alleinerziehende etwa sind nur zu 55 Prozent der Ansicht, dass für sie die Vorteile überwiegen; jede(r) Vierte sieht eher Nachteile. Arbeitslose sind die einzige Gruppe, in der diese Frage sogar mehrheitlich negativ bilanziert wird. 48 Prozent sagen, für sie persönlich habe es mehr Nach- als Vorteile gegeben; nur 32 Prozent sehen es umgekehrt. hla
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