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»Ein offensichtlich politisch motivierter Prozess«

Türkei: HDP-Chef Demirtas darf »aus Sicherheitsgründen« nicht vor Gericht erscheinen / Protest von Abgeordneten des Deutschen Bundestages

  • Nelli Tügel
  • Lesedauer: 3 Min.

Unter großer internationaler und nationaler Aufmerksamkeit begann am Donnerstag in Ankara der Prozess gegen Selahattin Demirtaş, Vorsitzender der türkisch-kurdischen Linkspartei HDP (Demokratische Partei der Völker). Am Tag zuvor stand die zweite Ko-Vorsitzende der HDP, Figen Yüksekdağ, vor Gericht. Ihr Prozess war bereits im Juli eröffnet und am Mittwoch fortgesetzt worden. Yüksekdağ hielt eine ausführliche Verteidigungsrede, in der sie die AKP-Regierung und den Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan scharf kritisierte. »Haben Sie einmal von den politischen Vertretern dieses Landes etwas von Frieden gehört?«, fragte sie die Richter. Es werde vermittelt, so Yüksekdağ, dass es von allen Seiten Bedrohungen und Feindschaft gebe. Über den Ausgang des Prozesstages schriebt der als Beobachter in die Türkei gereiste Berliner Politiker Hakan Taş (Die Linke) am Mittwochabend auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: »Alle Anträge der Verteidigung wurden abgelehnt. Yüksekdağ bleibt in Haft und die Verhandlung wurde auf den 20.2. vertagt.«

Am Donnerstag dann folgte die Prozesseröffnung im Verfahren gegen Demirtaş. Die Staatsanwaltschaft fordert nach Angaben der HDP 142 Jahre Haft. »Aus Sicherheitsgründen« wurde der Angeklagte nicht in den Gerichtssaal gebracht. Da Demirtaş eine Video-Liveschaltung ablehnte und sich persönlich vor den Richtern äußern wollte, fand der erste Prozesstag ohne ihn statt.

Am Ende entschied das Gericht, die nächste Anhörung auf den 18. Februar zu legen und Demirtaş in der Untersuchungshaft zu belassen. Dort sitzt der 44-Jährige seit mehr als einem Jahr. Im November 2016 waren er, Yüksekdağ und weitere Abgeordnete der HDP in einer konzentrierten Aktion festgenommen worden. Seit den Wahlen im Juni 2015 - die Partei holte damals 13 Prozent der Stimmen - verfolgt die AKP-Regierung die HDP als »verlängerten Arm der PKK«.

Sowohl in der Türkei als auch in Deutschland kam es zu Protesten: Anhänger der HDP versuchten aus verschiedenen Teilen des Landes in die türkische Hauptstadt zu gelangen. Der Gouverneur von Ankara hatte allerdings wegen des Prozessbeginns ein Demonstrationsverbot erlassen. Ziya Pir, Abgeordneter der HDP, sagte der Deutschen Presseagentur, Busse mit Unterstützern seien auf dem Weg nach Ankara gestoppt worden; die Polizei habe die Menschen stundenlang warten lassen und dann zurückgeschickt.

Vor dem Deutschen Bundestag versammelten sich indes Politiker von SPD, Grünen und der Linkspartei und forderten ebenfalls die sofortige Freilassung des Angeklagten und aller anderen in der Türkei inhaftierten Abgeordneten. »Mit Selahattin Demirtaş steht heute in der Türkei ein gewählter Parlamentarier vor Gericht, der vom türkischen Staat systematisch an seiner Arbeit (...) gehindert wird«, hieß in einer Mitteilung von Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) und der Fraktionschefs von Linken und Grünen, Sahra Wagenknecht und Anton Hofreiter.

Oppermann, Hofreiter und Wagenknecht haben im Rahmen des Bundestagsprogrammes »Parlamentarier schützen Parlamentarier« die Patenschaft für Demirtaş übernommen. Sie kritisierten mit Blick auf das Verfahren gegen Demirtaş: »Ein offensichtlich politisch motivierter Prozess ist allerdings kein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung.« Die FDP sagte, die Verhaftung von Demirtaş sei rechtswidrig gewesen. Sie forderte zugleich, die HDP müsse sich deutlicher von den Gewalttaten der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK distanzieren. Mit Agenturen

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