- Politik
- Kritik an der AfD
»Wehrmachts-Stolpersteine« für Gauland
Künstlergruppe erinnert mit umstrittener Inszenierung an die Erinnerungspolitik der AfD
Erst vor wenigen Wochen sorgte das »Zentrum für politische Schönheit« (ZPS) mit seinem Miniatur-Holocaustmahnmal in direkter Nachbarschaft zum Wohnhaus des Thüringer AfD-Politikers Björn Höcke für eine hitzige Debatte. Nun legt ein weiteres Künstlerkollektiv mit einer umstrittenen Inszenierung gegen die Rechtsaußenpartei nach.
Die Gruppe »Rocco und seine Brüder« hatte am hellichten Tag vor der AfD-Zentrale in Berlin mehrere goldene Platten verlegt, die an Stolpersteine erinnern sollen. Die eigentliche Aktion fand bereits Mitte November statt, doch erst jetzt veröffentlichte das Kollektiv ein Video, mit dem die Aktion dokumentiert wurde. Zu sehen sind darin zwei Männer mit Arbeitswesten, die zunächst seelenruhig den Gehweg absperren, um sich dann an ihr eigentliches Werk zu machen. Dafür hebelten sie mehrere Bodenplatten heraus und ersetzten sie durch »Alexander Gaulands Wehrmachts-Stolpersteine«.
Darauf stehen dann Sätze, wie diese zu lesen: »Gustav Freiherr von Bechtolsheim: Unter seinem Kommando exekutierte die 707. Infanterie-Division der Wehrmacht allein im Oktober 1941 10.431 Gefangene.«
Die Inszenierung von »Rocco und seine Brüder« zielt damit auf eine ähnliche Kritik ab, die auch das ZPS formuliert: Beiden Gruppierungen geht es darum, auf die in der AfD verbreitete Haltung zur deutschen Erinnerungskultur hinzuweisen. Im Mittelpunkt der Berliner Aktion stehen mehrere Aussagen Gaulands. Dieser erklärte beispielsweise, man müsse sich für die deutsche Geschichte nicht mehr schämen, denn »sie betreffe unsere Identität nicht mehr«.
Für Entsetzen sorgte der gerade neue gewählte AfD-Vorsitzende bereits am 2. September in Thüringen mit der Forderung: »Wenn die Franzosen zu Recht stolz auf ihren Kaiser sind, und die Briten auf Nelson und Churchill, haben wir das Recht, stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen.« Genau daran knüpft das Künstlerprojekt mit seiner provokanten Kritik an: Es will zeigen, welche grausamen Verbrechen deutsche Soldaten im Zweiten Weltkrieg begangen haben und warum es eben keinen Grund gibt, stolz auf die Wehrmacht zu sein. Zur Einweihung von »Alexander Gaulands Wehrmachts-Stolpersteine« bauten die Künstler außerdem einen kleinen Infostand vor der AfD-Zentrale auf. Mit mehreren Aufstellern in AfD-Optik wurden Passanten auf die »Wehrmachtsstolpersteine« hingewiesen.
Lange blieb die Installation nicht stehen: Bereits nach nur einem Tag waren die falschen Stolpersteine wieder verschwunden. Die AfD selbst äußerte sich nicht zu der Aktion.
Doch was ist von der Aktion zu halten? Schon das ZPS sah sich für ihr Miniatur-Mahmal mit der Kritik konfrontiert, dass Gedenken an die Opfer des Holocaust zur eigenen Inszenierung zu missbrauchen. In diesem Fall sprang eine der Initiatorinnen des echten Berliner Holcaustmahnmals dem Kolektiv allerdings bei: »Das ist eine wunderbare Idee«, sagte Lea Rosh gegenüber dem Tagesspiegel. Die Aktion sei eine »herrliche Bestrafung« für Höcke.
Die Stolpersteinstiftung drückte sich da schon etwas zurückhaltender aus: »Auf der einen Seite stößt diese Aktion ein bisschen auf. Auf der anderen Seite begrüßen wir natürlich die Kritik an der AfD-Einstellung zur Erinnerungspolitik«, erklärte eine Sprecherin der Stiftung gegenüber »Deutschlandfunk Kultur«.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.