Peenemünde bekommt Ufermauer
Der neue Ansatz für den Hochwasserschutz auf Usedom beruhigt nicht alle Skeptiker
Peenemünde. Der Norden der Insel Usedom erhält einen neuen Sturmflutschutz. Nachdem das Land Mecklenburg-Vorpommern seine umstrittenen Pläne zur Wiedervernässung des Gebietes zwischen Peenemünde und Karlshagen im Sommer aufgegeben hatte, begann nun der Bau des neuen Hochwasserschutzsystems. Landesumweltminister Till Backhaus (SPD) startete Ende vergangener Woche im Peenemünder Hafen symbolisch den Bau einer knapp 300 Meter langen Hochwasserschutzanlage.
Die Ufermauer, die bis März kommenden Jahres fertiggestellt sein soll, ist Teil einer geplanten Ringeindeichung von Peenemünde. Zusammen mit einem ebenfalls zu bauenden Riegeldeich vor Karlshagen soll das Sturmflutschutzsystem den Inselnorden mit den Orten Peenemünde, Karlshagen, Trassenheide und Zinnowitz vor schweren Sturmfluten schützen. Die Gesamtkosten betragen laut Ministerium 16 Millionen Euro.
Eine Bürgerinitiative demonstrierte gegen den Standort des Riegeldeiches bei Karlshagen. Dies sei eine »Wiedervernässung durch die Hintertür«, sagte BI-Sprecher Rainer Höll. Der Sturmflutschutz im Norden der Ostseeinsel Usedom ist seit Jahren umstritten. Nach massivem Druck aus der Region hatte das Schweriner Umweltministerium im Sommer die Pläne für ein großes Renaturierungsvorhaben ad acta gelegt und dafür das neue Deichvorhaben präsentiert.
Ursprünglich sollte ein Deich, der im Jahr 1936 mit dem Bau der früheren NS-Heeresversuchsanstalt angelegt worden war, zurückgebaut oder an mehreren Stellen durchbrochen werden. Eine Bürgerinitiative befürchtete, dass damit der Kern des denkmalgeschützten Areals, in dem das Nazi-Regime die V2-Raketen entwickelt hatte, geflutet und die Ortschaft Karlshagen durch steigende Grundwasserspiegel bedroht würden. Vertreter der Bürgerinitiative begrüßten nun, dass das Land mit dem Bau des Sturmflutsystems begonnen hat. Allerdings bleibt die Skepsis. »Wir halten die Lage des Riegeldeichs bei Karlshagen nicht für optimal«, sagte Höll. Damit könnten bei einer schweren Sturmflut genau die Flächen überflutet werden, die beim gescheiterten Renaturierungsprojekt wiedervernässt werden sollten. Besser wäre der Bau eines Riegeldeiches weiter nördlich bei Peenemünde. Dies wäre kostengünstiger und würde zudem auch Schiene und Straße vor Sturmfluten schützen, sagte Höll.
Kritik kam auch vom Historisch-Technischen Museum Peenemünde. Museumschef Michael Gericke sagte, dass eine schwere Sturmflut die Zerstörung der Anlagenreste der Heeresversuchsanstalt beschleunigen könnte. Das Museum habe seine Bedenken geäußert. »Im Zuge der Abwägung sind unsere Interessen aber nicht berücksichtigt worden«, so Gericke. Die betroffenen Areale gehören der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.
Umweltminister Backhaus verteidigte den Bau des neuen Systems. »Der Handlungsbedarf ist eindeutig«, sagte er. Es gebe bisher kein geschlossenes Küstenschutzsystem zum Schutz der Ortschaften und keine überströmungssichere Verbindung zwischen dem Deich auf der Peenestromseite und der Düne auf der Ostseite. Seitens des Landes Mecklenburg-Vorpommern wurde versichert, nach Fertigstellung des neuen Systems die Verantwortung für den 1936 errichteten Deich nicht abgeben zu wollen. dpa/nd
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