Der Winter ist nicht eingebrochen, er hat sich langsam herangepirscht

MEINE SICHT: Johanna Treblin über die alljährliche Mär des Wintereinbruchs

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 2 Min.

Pünktlich zu den ersten weißen Flocken bricht wieder Chaos auf den Straßen aus. So heißt es in den Nachrichten. Es ist, als ob sich die Berliner jedes Jahr aufs Neue weigern, Schnee als Realität anzuerkennen.

Wetterdienste und Medien verkünden den Wintereinbruch und verkennen, dass der Winter sich bereits seit Wochen herangepirscht hat: erst Temperaturen um den Gefrierpunkt, dann erster Frost, dann schneebetupfte Hausdächer beim Aufwachen am Morgen. Radio und Zeitungen warnen vor überfrierender Nässe (meinen: Glatteis) und vermelden erste Schlitterpartien in der Nacht von Freitag auf Samstag.

Frei nach dem Motto »Das passiert mir doch nicht« setzt sich der bequeme Berliner trotzdem ins Auto. Dass sich auch Schneematsch auf Kopfsteinpflaster gut zum Rutschen eignet, ignoriert er (oder sie).

Klar, es gibt diejenigen, die irgendwo arbeiten, wo sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht hinkommen. Und es gibt auch die anderen, die irgendeiner Arbeit nachgehen, für die sie irgendwelche Arbeitsmittel brauchen, die nur mit dem Auto transportiert werden können. Und es gibt diejenigen, die aus gesundheitlichen oder physischen Gründen auf das Auto angewiesen sind.

Aber der Rest? Der könnte erheblich dazu beitragen, das winterliche Chaos - mitnichten ein plötzlicher Einbruch, vor dem niemand gewarnt hätte - zu minimieren. Wie? Einfach mal das Auto stehen lassen. Das gilt - kleiner Tipp - übrigens auch für den Rest des Jahres. Denn wer sich über vollgestopfte Straßen und Stop-and-Go ärgert, sollte doch wissen: Derjenige, den er (oder sie) dafür verantwortlich machen kann, ist in erster Linie er (oder sie) selbst.

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