Das Märchen vom tapferen Mark

Im Kino: »Star Wars 8 - Die letzten Jedi« von Rian Johnson

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Anfänge der »Star Wars«-Saga waren - in Bezug auf Höhe des Budgets und Güte des Schauspielensembles - ziemlich bescheiden. Das mit dem Budget hat sich dann sehr schnell geändert. Die (bis auf Harrison Ford) höchstens durchschnittlich begabten Schauspieler aber mussten die ersten drei Filme zwingend dabei bleiben, da sie mit den Charakteren des addiktiven Weltraummärchens verknüpft waren. In den Filmen vier bis sechs hatte George Lucas die Chance zur Korrektur - und vergeudete sie auf tragische Weise. Seit der 2015 mit »Das Erwachen der Macht« eröffneten aktuellen Trilogie ist nun aber eine ganze Riege erstklassiger (und unterforderter) Charakterdarsteller an Bord, die im aktuellen Teil (»Die letzten Jedi«) nochmals verstärkt wurde: der vor rebellischer Energie schier berstende Oscar Isaac, die elegante, dürre und eiskalt-bestimmte Laura Dern, der sinnsuchende Lehrling der Finsternis Adam Driver und vor allen anderen: der vor Dreck starrende und durchtriebene Lässigkeit neu definierende Benicio Del Toro.

Doch endgültig gerettet wird Rian Johnsons sehr unterhaltsame, in den besten Momenten gar atemberaubende Weltraumoperette durch einen Darsteller, der schon vor 40 Jahren dabei war - Mark Hamill kehrt als würdig gereifter und von stürmischen Zeiten gegerbter Luke Skywalker zurück. Das ist ein auch für die Kinobesucher bewegender Triumph Hamills, dem das Leben mehr als einmal übel mitspielte. Seine Geschichte ist das reale Märchen in der virtuellen Weltraumerzählung: Das stets belächelte und immer nur gerade so geduldete Bübchen aus der ersten Trilogie spielt 40 Jahre und zahllose berufliche Demütigungen später als unleugbares Zentrum des Films die erste Riege Hollywoods an die Wand. Nur Del Toro hinterlässt mit seinem Mini-Auftritt einen stärkeren Eindruck - so stark, dass man sich einen eigenen Film über dessen verführerisch schillernden Charakter eines opportunistischen Spielers wünscht.

Der Untergang, die Auferstehung und die versöhnliche Rückkehr Hamills, der sich über 30 Jahre lang ausschließlich in schäbigster Billig-Filmware verdingen musste, könnte fast aus der Feder eines »Star-Wars«-Autors stammen, verbunden mit der kitschigen, doch manchmal eben zutreffenden Moral: Gib dich nicht auf, es ist nie zu spät! Diese Überschneidung von privatem und fiktivem Schicksal ist ein Glücksfall für die Zuschauer: Die Tragik und die Erlösung von Hamill geht auf seine Figur des Luke Skywalker über und verleiht dem Film dadurch eine Tiefe, die er vielleicht gar nicht verdient hat - und das noch bevor das legendäre Textlaufband zur Musik von John Williams in die kommende Handlung einstimmt. Wer »Star Wars« bislang in der deutschen Synchronfassung gesehen hat, der kennt übrigens Hamills Stimme nicht - und die ist von einer solch tiefen und erfahrenen Kraft, dass sich allein dafür der Besuch der englischen Originalversion lohnt.

»Star Wars 8« provoziert als großer, überbordender und wuchtiger Abenteuerfilm die erwarteten und gewünschten Gefühlregungen: Tränen, Gänsehaut und Gelächter. Dazu hat Regisseur Johnson einige der beeindruckendsten Sets und Designs der ganzen Saga anfertigen lassen und innerhalb eines vielleicht zu konventionellen Ganzen umwerfende Einzelszenen geschaffen: Ein Rebellenpilot zerstört im Alleingang fast die gesamte Flugabwehr eines gigantischen Schlachtrosses der »Ersten Ordnung«, wie das faschistoide Imperium genannt wird - ein rasantes und verwegenes Manöver, das den Zuschauer schwindelig zurücklässt, das aber leider fatal endet. Um die obligatorischen Lichtschwert-Duelle interessant zu halten, müssen in jedem neuen Film die Umgebungen und Konstellationen variiert werden - eine Aufgabe, die Johnson etwa in einem Kampf mit der blutrot gekleideten Leibwache des finsteren Imperators beeindruckend meistert. Jener Snoke genannte Diktator mag eine etwas billige Kopie des Ur-Imperators sein - seine physische Erscheinung, seine schier grenzenlose Macht und seine clevere Durchtriebenheit verbinden sich aber zu einem furchteinflößenden Ganzen und zu einer abgründigen und ziemlich hässlichen Kreatur - auch ein Verdienst des auf animierte Charaktere spezialisierten Andy Serkis (Gollum, »Planet der Affen«).

Rian Johnson beherrscht die Klaviatur des bombastischen, ohrenbetäubenden und gut getimten Actionkinos perfekt. Der stärkste Moment jedoch, eine der beeindruckendsten Zerstörungs-Szenen der gesamten Saga, ist einer der Stille und der Zeitlupe. Leider darf hier nicht mehr verraten werden. Die »Ich bin dein Vater«-Szene aus »Das Imperium schlägt zurück« kann wohl kein »Star Wars«-Film mehr übertreffen. Aber »Die letzten Jedi« pirscht sich in vielen Momenten so nah an die Qualität jener bisher besten Episode heran wie bisher kein anderer Teil.

»Star Wars 8« hat (zu) viele Helden: Es ist eine Schwäche des Films, dass der Reichtum an - selbstverständlich ethno- und gendermäßig höchst korrekt austarierten - Charakteren teils zu Flachheit und Beliebigkeit führt. Eine andere Kritik könnte sein - wenn man dies denn von einem »Star-Wars«-Film erwarten möchte -, dass Johnson (auch Autor) den Kult zwar perfekt verwaltet, ihm aber keine revolutionär neuen Impulse zu verleihen vermag. Eine sofort auffallende Neuerung ist der üppig eingesetzte Humor, dessen Bewertung allerdings variiert: So lobt das »Slant Magazine«, dass die aktuelle Episode wohl der erste »Star Wars«-Film sei, der von der Sci-Fi-Satire »Spaceballs« inspiriert sei. »Variety« dagegen kritisiert eine »altbekannte Selbst-Parodie«, die schon »Pirates Of The Caribbean« oder die Marvel-Filme »vergiftet habe«.

Inhaltlich-moralisch war die Star-Wars-Saga schon immer höchst widersprüchlich: Einerseits wird die Macht des (Rebellen-)Kollektivs gepredigt. Andererseits sind es dann doch die »Auserwählten«, die mit Einzelaktionen das Schicksal wenden. In dieser Episode ist es nicht anders.

Im Gegensatz zu allen anderen »Star Wars«-Filmen schließt »Die letzten Jedi« zeitlich direkt an seinen Vorgänger an: Die Rebellen sind unter Beschuss, können immer nur gerade so die Flucht vor der Todesmaschinerie der »Ersten Ordnung« antreten. Derweil sucht die aufstrebende Rebellin Rey (Daisy Ridley) Hilfe und Unterricht beim als Eremit lebenden Luke Skywalker. Unterdessen geht Lukes Neffe, der zur »dunklen Seite« übergetretene Kylo Ren, eine verwirrende telepathische Beziehung mit Rey ein. Gleichzeitig müssen Rebellen in blassen Nebenhandlungen die Verfolgungstechnik des Imperiums stören. Werden die Rebellen wohl noch einmal davonkommen? Kann die Sekte der Jedi reanimiert und so ein Zeichen der Hoffnung gesendet werden? Die Antworten werden viele Zuschauer bestimmt total überraschen.

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