Abriss des alten DGB-Hauses verzögert sich

Gewerkschaft feierte Abschied von Traditionsgebäude, das eigentlich bis Ende 2020 durch Neubau ersetzt sein soll

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Nicht besonders schön ist das DGB-Haus an der Keithstraße 1-3, nicht einmal außerordentlich zweckmäßig. Aber es hängen doch viele Erinnerungen dran. Darum feierten Gewerkschafter und Gäste aus der Politik am späten Donnerstagabend mit Sekt und Buffet Abschied von dem Gebäude, das im kommenden Jahr abgerissen und bis Ende des Jahres 2020 durch einen Neubau ersetzt werden soll.

Andernfalls wäre eine teure Sanierung des alten Hauses erforderlich gewesen. Deswegen entschied sich der DGB für einen Neubau. Dieser wird schätzungsweise 70 bis 80 Millionen Euro kosten. Das Gebäude wird etwas höher ausfallen, vor allem jedoch durch konsequentere Ausnutzung des Grundstücks mit 13 000 Quadratmetern mehr als doppelt so viel Nutzfläche haben wie der bisherige Komplex. Für rund 350 Beschäftigte soll dort Platz sein. Die Keithstraße wird dann nicht mehr allein der Sitz des Landesbezirks Berlin-Brandenburg sein. Der DGB-Bundesvorstand will mit einziehen.

»Abriss sagt man nicht mehr, man sagt Rückbau«, ulkte die DGB-Landesbezirksvorsitzende Doro Zinke bei der Abschiedsfeier am Donnerstagabend. Sie konnte die originale Gründungsurkunde von der Grundsteinlegung am 23. August 1961 vorweisen. Der Hausmeister hatte sie im Keller gefunden. In der Urkunde steht die Floskel: »Mit aller Kraft für die Wiedervereinigung der gespaltenen Hauptstadt«. Nur zehn Tage zuvor war die Mauer gebaut worden. Der Kalte Krieg befand sich auf einem Höhepunkt, und bei der Einweihung am 5. Mai 1964 nannte der damalige DGB-Bundesvorsitzende Ludwig Rosenberg das Haus eine »Schutz- und Trutzburg der Freiheit«. Der Regierende Bürgermeister und spätere Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) war bei Grundsteinlegung und Einweihung mit dabei.

Die Prominenz bei der Abschiedsfeier fiel eine Nummer kleiner aus. Tempelhof-Schönebergs Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) erzählte, sie sei 1963 geboren, und seit sie denken könne, sei der DGB hier an der Keithstraße. Die Adresse solle man sich merken, denn in drei Jahren werde es wieder so sein. Berlins Linksfraktionschef Udo Wolf kennt die Adresse, seit er einst nach Westberlin zog. Darum kam er zur Abschiedsfeier. Er ist gespannt, wie es wird, wenn die DGB-Spitze kommt.

Schöttler und Zinke montierten das Schild am Wilhelm-Leuschner-Saal ab. Es ging fix. Die Schrauben waren schon gelöst. Das Schild soll im neuen Haus wieder angebracht werden. Es ist eine Gedenktafel für Leuschner, der 1890 als Sohn eines Ofensetzers geboren wurde und in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, der aber in den Vorstand des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes aufstieg. 1933 haben ihn die Nazis zwei Tage lang gefoltert, ihn gezwungen, nach Genf zu reisen, wo er sich für die internationale Anerkennung der faschistischen Deutschen Arbeitsfront als Gewerkschaft einsetzen sollte. Doch Leuschner berichtete im Ausland über die Unterdrückung in Hitlerdeutschland, wurde nach seiner Rückkehr bis 1934 ins KZ gesteckt. Freigelassen, knüpfte der Sozialdemokrat Kontakte zu kommunistischen und christlichen Kollegen, um Widerstand zu organisieren. Die Verschwörer des 20. Juli 1944 sahen Leuschner als Vizekanzler in der Übergangsregierung vor, die nach einem geglückten Attentat auf Hitler übernehmen sollte. Doch der Putsch scheiterte. Leuschner wurde im September 1944 hingerichtet.

Die Tafel gehört zur Geschichte des DGB an der Keithstraße so wie der Zoff mit der Außerparlamentarischen Opposition am 18. Januar 1969. Seinerzeit gingen Scheiben zu Bruch. Es ist insgesamt eine Geschichte, die nach Ansicht von Bezirksbürgermeisterin Schöttler weitergeschrieben werden sollte. Im Neubau wäre das möglich.

Gewerkschaftsfunktionäre und Mitarbeiter sind bereits in ihrem Ausweichquartier am Kapweg 4. Doch sie hätten sich nicht beeilen müssen, fand Dirk Kuske von der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) heraus. Die Abrissarbeiten seien noch nicht einmal ausgeschrieben. Im Moment werde gerade erst der Leistungskatalog für interessierte Baufirmen erstellt. »Wir sind nicht im Zeitplan«, frotzelte Kuske. Erst Ende März oder Anfang April werde der Abriss beginnen. Eigentlich sollte es bereits im Januar losgehen. Kuske warnte, wenn es so weitergehe, werde der Bundesvorstand 2020 ein Problem haben. Doch die IG BAU werde nicht nur aufpassen, dass Bauunternehmen zum Zuge kommen, die ihre Beschäftigten anständig bezahlen, sondern auch darauf achten, dass wenig gepfuscht und das neue Haus trotzdem pünktlich fertig werde.

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