Spurensuche am Nietzsche-Grab
Im kleinen Ort Röcken im Süden Sachsen-Anhalts wurde der Schöpfer des »Zarathustra« geboren - und beerdigt
600 Einwohner hat Röcken - und mehr als 1000 Besucher im Jahr. In dem kleinen Ort bei Weißenfels (Burgenlandkreis) in Sachsen-Anhalt ist einer der bedeutendsten Philosophen der Geschichte beerdigt worden: Friedrich Nietzsche (1844-1900). An sein Leben und Werk (»Also sprach Zarathustra«) erinnert eine Gedenkstätte - mit Kunstwerk, einem kleinen Museum, dem Geburtshaus, der Taufkirche aus dem 12. Jahrhundert und dem Grab.
Ins Auge sticht eine lebensgroße Skulpturengruppe. Unter dem Titel »Röckener Bacchanal« stellt das Werk des Bildhauers Klaus W. Messerschmidt den Philosophen dreimal dar, darunter einmal mit seiner Mutter Franziska - angelehnt an ein Schriftstück, wonach sich der Philosoph im Traum selbst an seinem Grab stehen sah.
Nietzsches Werke sorgen bis heute für Diskussionen. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden Schriften von ihm für Propagandazwecke missbraucht. In der DDR wurde er zeitweise als Vorläufer der Nazis dargestellt. Heute zieht es Menschen aus der ganzen Welt nach Röcken, um auf den Spuren des Denkers und Dichters zu wandeln - aus Brasilien, Chile, Indonesien, Japan, Norwegen, Russland, Spanien, der Schweiz, den USA oder Iran.
»Wir sind wirklich international. Die Leute kommen zu uns, um hier an Ort und Stelle diese ganz besondere Atmosphäre zu spüren«, erzählt Peter Buss, Gründungs- und Vorstandsmitglied im Nietzsche Förderverein in Röcken. Kürzlich seien Philosophieprofessoren aus Amerika und Asien im Ort gewesen, um Nietzsches Gedanken anhand von Schriften und Exponaten näher zu erkunden. Der Nietzsche Verein Röcken e.V. arbeite auch mit dem Nietzsche-Dokumentationszentrum in Naumburg zusammen. In der Stadt lebte die Familie des Philosophen nach dem Tod des Vaters. Nietzsche starb 1900 in Weimar.
Besucher der Gedenkstätte schreiben ihre Eindrücke ins Gästebuch: »Was für ein Erlebnis, an die Wiege des Philosophen zu kommen!« oder »Endlich hier gewesen, am Grab gestanden!« ist in dem dicken Wälzer zu lesen. Rund 37 300 Besucher wurden seit der Neugestaltung und der Sanierung des Gedenkstättenensembles in Röcken gezählt, rund 1400 Besucher kamen bislang in diesem Jahr.
An diesem Tag haben sich Schüler aus Halle mit ihrem Religionslehrer Mathias Ott auf den Weg nach Röcken gemacht. Während einer acht Kilometer langen Wanderung haben die Schüler der elften Klasse Gedichte von Nietzsche vorgetragen und die Landschaft auf sich wirken lassen. »Nietzsche hat uns heute noch etwas zu sagen«, erklärt der Pädagoge, als er mit den Schülern in der Gedenkstätte angekommen ist. Und die 17-jährige Marie Louise sagt: »Wir wollen wissen, wie er war.«
Menschen der Zeitgeschichte haben auch andernorts in Sachsen-Anhalt ihre letzte Ruhe gefunden, die Gräber liegen teils etwas versteckt, teils an prominenter Stelle. So befindet sich in dem kleinen Ort Walbeck (Landkreis Börde) das Grab des Oscar-Preisträgers Ulrich Mühe (»Das Leben der Anderen«). Auf dem kleinen Friedhof von Lettin wurde der Schriftsteller Erik Neutsch (»Der Friede im Osten«) beerdigt, in Halle der DDR-Maler Willi Sitte.
International bekannt ist schließlich das Grab des Reformators Martin Luther (1483-1546) in der berühmten Schlosskirche in Wittenberg. Auf Luthers Kindheitsspuren sind die Schüler von Mathias Ott auf dem Lutherweg in Eisleben auch schon gewandelt, wie der Lehrer auf der Tour nach Röcken erzählt. Nur wenige Minuten von Nietzsches Geburtsort entfernt, in Lützen, erinnert ein Stein mit Baldachin an den Tod des Schwedenkönigs Gustav II. Adolf (1594-1632). Er starb hier in der blutigsten Schlacht des Dreißigjährigen Krieges. dpa/nd
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