Mit der »Mentalität des kalten Krieges«
Scharfe Kritik aus China und Russland an der neuen US-Sicherheitsstrategie von Präsident Trump
»America first«, Donald Trumps Wahlkampfslogan, bestimmt auch die neue Sicherheitsstrategie der USA, die er als Präsident nun am Ende seines ersten Amtsjahres turnusmäßig präsentiert hat. Vor 650 Gästen sprach Trump am Montag (Ortszeit) in Washington in einem 30-minütigen Rundumschlag über Bedrohungen und Herausforderungen, denen sich die Supermacht heute und künftig stellen müsse - nicht ohne mit seinen Vorgängern abzurechnen und den eigenen Wahlsieg als Wendepunkt im Leben der US-Bürger zu feiern. Als Erfolge gibt er nationalistische Rückschritte wie den Ausstieg aus dem Transpazifischen Handelsabkommen (TPP) oder dem internationalen Klimaabkommen von Paris aus. Barack Obama hatte in seiner Strategie vor zwei Jahren den Klimawandel noch als »wachsende Bedrohung unserer nationalen Sicherheit« ausgemacht. Trump reklamierte jetzt für sich, erstmals die wirtschaftliche Sicherheit als Faktor eingeschlossen zu haben.
»Amerika zuerst« bedeutet für ihn, das eigene Militär massiv auszubauen (»Frieden durch Stärke«), das Ende der »Masseneinwanderung« und die Errichtung einer riesigen Mauer an der Grenze zu Mexiko (»Eine Nation ohne Grenzen ist keine Nation«). Die Vereinigten Staaten würden auf Sicherheit, Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Wettbewerb setzen und dabei ihren Einfluss in der Welt vergrößern.
Nachdem der US-Präsident gerade noch am Telefon Artigkeiten mit seinem Amtskollegen Wladimir Putin ausgetauscht und die bilaterale Zusammenarbeit im Antiterrorkampf gelobt hatte, erklärte er Russland nun wie China zum großen Rivalen auf der internationalen Bühne. Man befinde sich auf dem Weg in eine neue Ära des globalen Wettbewerbs. Peking etwa würde technische Innovationen stehlen und wirtschaftlichen Druck zur Durchsetzung eigener strategischen Interessen ausüben.
Auch Moskau mische sich über »modernisierte Formen subversiver Taktiken« weltweit in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten ein. Zudem seien russische Atomwaffen »die bedeutendste existenzielle Bedrohung für die Vereinigten Staaten«, heißt es in dem von Trumps wichtigsten Mitarbeitern verfassten 68-seitigen Dokument. Doch »Amerika steigt ins Rennen ein, und Amerika wird gewinnen«, zeigte sich der US-Präsident überzeugt. Kritik äußerte er auch an den europäischen Verbündeten, die nicht bereit seien, ausreichend in ihre Verteidigung zu investieren, »während wir ihre Sicherheit garantieren und bereit sind, Kriege für sie zu führen«.
Das alles ist kaum neu, auch der aufgerufene härtere Kurs gegen »Schurkenstaaten« wie Nordkorea oder Iran wird längst praktiziert. Und manches klingt wie die Quadratur des Kreises, denn der Präsident hat zuletzt nicht nur ein gutes Verhältnis zu Putin, sondern auch zum starken Mann in Peking gesucht, Präsident Xi Jinping. Er wolle mit Russland wie mit China »großartige Partnerschaften« aufbauen, behauptete Trump. Im Manuskript findet sich diese Formulierung nicht. Ohnehin fragen sich Beobachter in Washington, welchen Stellenwert ein solches Strategiepapier hat, wenn der Chef im Weißen Haus Politik bislang vor allem impulsiv und erratisch via Twitter gemacht hat.
Peking kritisierte die neue Sicherheitsstrategie am Dienstag denn auch als »altes Denken« in der »Mentalität des Kalten Krieges« und forderte die US-Regierung zur Zusammenarbeit auf. China jedenfalls sei auf der Basis gegenseitigen Respekts zu friedlicher Koexistenz mit allen Staaten bereit. Und in Moskau schätzte Konstantin Kossatschjow ein, dass »den USA die Veränderungen in der Welt in den letzten Jahren nicht recht sind und sie beabsichtigen, diese rückgängig zu machen«. Dabei würde man die jüngste Version von Pax Amerika als angeblich faire Weltordnung wiederbeleben, so der Leiter des Auswärtigen Ausschusses im Föderationsrat. »Der imperialistische Charakter dieses Dokuments ist offensichtlich«, fasste Kreml-Sprecher Dmitri Peskow zusammen.
Traditionell hat die weltweit renommierte Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg fast zeitgleich ihren jährlichen Report zu den vermeintlich schlimmsten Entwicklungen in der nächsten Dekade veröffentlich - gedacht als Denkanstoß. Als gefährlichstes denkbares Ereignis wurde dabei eine zweite Amtszeit von US-Präsident Trump eingestuft.
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