- Politik
- Rassismus gegen syrischen Flüchtling
»Der Krieg in ihrem Land ist beendet – gehen Sie dorthin zurück«
Autohaus weist die Bewerbung eines Syrers mit diskriminierender Begründung ab
Wie Salim F. geht es vielen jungen Syrern in Deutschland. Nachdem sie einen sicheren Aufenthaltstitel erhalten und die deutsche Sprache gelernt haben, sind sie nun auf der Suche nach Arbeit. Junge Berufsanfänger wissen, wie schwierig es ist, in Deutschland einen Job zu bekommen, ganz besonders, wenn man einen ausländisch klingenden Namen hat. Viele Unternehmen bevorzugen gut ausgebildete deutsche Bewerber, würden dies aber nie öffentlich zugeben.
Im Fall von Salim F. war es anders: Wie das online erscheinende Magazin »Migration in Germany« (»MiGAZIN«) berichtet, erhielt der 26-Jährige von dem Autohaus Budde in Warnstein eine Absage, in welcher ihm die Firma rät, in sein Heimatland zurückzukehren.
Der Herausgeber und Autor des Artikels, Ekrem Şenol, sagt gegenüber dem »nd«: »Wir bekommen fast wöchentlich Hinweise auf diskriminierende Absagen, können aber nicht immer darüber berichten, weil die Diskriminierung in der Regel mündlich ausgesprochen wird und dann steht meistens Aussage gegen Aussage.«
»MiGAZIN« liegt die Absage des Autohauses vor. Şenol berichtet, dass Salim F. »vor knapp zwei Jahren als syrischer Flüchtling nach Deutschland« gekommen ist und in Bonn lebt. Seine Deutschkenntnisse seien gut, sein Abitur wurde von hiesigen Behörden anerkannt.
Für seine Bewerbung ließ Salim F. seine Unterlagen vom Arbeitsamt checken, gegenüber »MiGAZIN« sagte er, dass er über Facebook auf das Autohaus aufmerksam geworden sei.
Auf der Homepage des Autohauses Budde steht derzeit noch, dass das Unternehmen wachse und man viele neue Köpfe suche. Etliche Stellen sind ausgeschrieben, darunter Automobilverkäufer, Kfz-Mechatroniker und Auszubildende Automobilkaufmänner. Auf eine solche Azubi-Stelle hatte sich Salim F. beworben.
Nur eine Woche nach seiner Bewerbung erhielt Salim F. die Absage. In dem Schreiben steht ein Satz, der nicht nur aufgrund der aktuellen Berichterstattung über den anhaltenden Krieg in Syrien stutzig macht. »Ich möchte Ihnen eher die Empfehlung aussprechen, in Ihr Land zurückzugehen, da der Krieg beendet ist und Sie dort dringend benötigt werden, um es wieder aufzubauen.« Die Absage sei vom Geschäftsführer unterschrieben, so der »MiGAZIN«-Autor Şenol.
Auf Anfrage wollte sich ein Sprecher des Autohauses Budde gegenüber »nd« nicht äußern. Man berate intern, wie man mit dem Fall weiter vorgehe und ob man öffentlich Stellung beziehen werde.
Salim F. fragte Şenol, ob solche Absagen »normal in Deutschland« seien. »Ich habe seit meiner Ankunft in Deutschland wirklich alles unternommen, um einen Ausbildungsplatz zu finden. Ich kann verstehen, wenn die Leute einen nicht haben wollen. Aber so etwas hätte ich mir niemals vorgestellt«, so der junge Mann. »Was wir mündlich überliefert bekommen, ist teilweise noch viel krasser an Diskriminierung und Rassismus« sagt Şenol von »MiGAZIN«.
Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter wurde der Artikel über den Fall in kürzester Zeit vielfach kommentiert und verbreitet. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes rät dem Betroffenen, sich mit dem Fall an sie zu wenden.
Nachdem das »neue deutschland« und die »Rheinische Post« nach dem MiGAZIN über den Fall berichteten, gab es zahlreiche Beschwerden beim Autohaus Budde. Daraufhin veröffentlichte das Unternehmen mittlerweile zwei Stellungnahmen auf seiner Facebookseite. Die Firma entschuldigt sich mit den Worten: »Wir möchten uns für diese Äußerung entschuldigen und werden personelle Konsequenzen aus diesem Vorfall ziehen.«
Interessanterweise geht das Autohaus in den Stellungsnahmen jedoch nicht darauf ein, dass in der Absage einer der Geschäftsführer als Ansprechpartner für den Bewerber genannt wird. Im Gegenteil, einer der Chefs, Carsten Budde, behauptet auf Facebook: »Ich war fassungslos, als ich von dem Inhalt des Schreibens in Kenntnis gesetzt wurde. Zum einen spiegelt es überhaupt nicht meine bzw. die Werte des Unternehmens wieder, zum anderen hatte ich den Bewerber persönlich vor dem Absenden seiner Bewerbung ermutigt, seine Bewerbung bei uns einzureichen.«
Gegenüber dem »nd« sagte Carsten Budde, er habe persönlich Kontakt zur »Dr. Moroni Stiftung« gesucht, welche Salim F. unterstützt. Mit dem Leiter der Stiftung, Ramy Azrak, habe Budde ein Treffen für Anfang nächsten Jahres vereinbart. Er werde zudem weitere Schritte prüfen, was man in dem Fall noch machen könne. Er bedauere die ganze Geschichte sehr und verwies auf seine persönlichen Stellungnahmen. Auf Facebook schrieb Budde: »Die für das Schreiben verantwortliche Person hat nach einem ersten Gespräch das persönliche Fehlverhalten eingeräumt. Der Sachverhalt wird gründlichst aufgearbeitet und die Konsequenzen werden gezogen.«
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.