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Der Geschmack der Kindheit

Zwei Leipzigerinnen haben ein Buch mit Rezepten aus DDR-Zeiten geschrieben - es konzentriert sich vor allem auf Sachsen

  • Heidrun Böger, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.

In Erinnerungen schwelgen kann man beim Lesen des Buches »Sachsen - Gerichte unserer Kindheit, Rezepte und Geschichten«. Darin widmen sich die beiden Leipziger Autorinnen Ethel Scheffler und Sylke Tannhäuser Rezepten aus DDR-Zeiten, immer verbunden mit kleinen Geschichten.

Manches jener Rezepte von einst war natürlich aus der Not geboren wie Gräupcheneintopf oder Kohlrübensuppe - letztere erlebt jedoch in Zeiten der gesunden Ernährung ein Comeback. Es gab aber doch so manches Gericht, so manchen Kuchen, die heute in Zeiten von Hülle und Fülle fast verschwunden sind. Die »tote Oma« war ein bei Kindern höchst unbeliebtes Grützwurst-Gericht. Karlsbader Schnitte und Jägerschnitzel sind heute gar nicht so selten.

Vieles war und ist typisch sächsisch - wie die Quarkkäulchen mit Apfelmus oder die Leipziger Lerche, eine Variante des Makronentörtchens, das aus Mürbeteig besteht und mit einer Masse aus Marzipan und Marmelade gefüllt ist.

»Der Verlag ist an uns herangetreten, ob wir ein solches Buch machen könnten«, erzählt Sylke Tannhäuser. Die beiden Leipzigerinnen - gestandene Krimiautorinnen - hatten bereits gemeinsam erfolgreich ein Buch über sächsische Weihnachtsbräuche herausgebracht. Da lag die erneute Zusammenarbeit nahe.

Ideen sammelten sie auch bei Lesungen, für die sie oft in Sachsen in Städten und Gemeinden unterwegs sind. Ethel Scheffler: »Wir haben dann in die Runde gefragt, wer Rezepte von früher kennt.« Drei Monate lang waren sie für die Recherche unterwegs, sprachen mit etwa 50 Leuten. Sie lernten zum Beispiel, dass es viele verschiedene Rezepte für die Dresdner Eierschecke gibt und dass das Leipziger Allerlei eigentlich ein Gemüse mit Flusskrebsen ist. Im 18./19. Jahrhundert wimmelte es in den Leipziger Wasserläufen nämlich von diesen Tieren.

Den kleinen Geschichten zu den Rezepten, die das Buch enthält, haben die beiden Autorinnen mit viel Liebe zu den Menschen nachgespürt. Da stibitzte zum Beispiel die Katze die Füllung (also das Gehackte) aus der Paprikaschote. Das Buch enthält auch viele Fotos, oftmals von den Rezept-Gebern selbst zur Verfügung gestellt. Man sieht die Familie am Sonntag in der guten Stube beim Essen sitzen.

Die beiden Autorinnen sind seit langem im Buchgeschäft, allerdings nur nebenbei. Sylke Tannhäuser arbeitet als Betriebswirtin in der Leipziger Stadtverwaltung, Ethel Scheffler ist Chefin eines Hausmeisterdienstes. »Das Bücherschreiben überschreitet allerdings zeitlich die Grenzen eines bloßen Hobbys«, sagt Sylke Tannhäuser. Doch beide waren und sind neugierig auf die Menschen, sie lernten viele Gegenden in Sachsen kennen, in denen sie vorher noch nie waren. »Wir bekommen«, erzählt Ethel Scheffler, »viel zurück in den Gesprächen. Die Leute haben sich gefreut, dass wir das Buch machen.«

Vielen der Menschen, die sie aufgesucht haben, ist es wichtig, das Rezept nachfolgenden Generationen weiterzugeben, zum Beispiel das für sächsischen Sauerbraten. »Damit er gelang, durfte nur ein ganz bestimmter Soßenkuchen verwendet werden«, heißt es in einer der kleinen Geschichten. »In der DDR war das kein Problem - damals gab es nur eine Sorte. Nach dem Mauerfall brauchte ich jedoch geraume Zeit, ehe ich aus der neuen Produktvielfalt den Speisekuchen gefunden hatte, der den altbekannten Geschmack von Omas Soße garantierte.«

Zu DDR-Zeiten kochte man in der Woche meist etwas Schnelles, am Wochenende wurden dann aber oft drei Gänge aufgetafelt, mit Vorspeise und Dessert. Dafür stand die Hausfrau (seltener der Hausmann) auch schon mal mehrere Stunden in der Küche. Für Weihnachten wurde Stollen gebacken, die Rosinen dafür hatte man nicht selten lange vorher gehortet. Kalter Hund war beliebt, weil man die Mischung aus Keksen, Schokolade und Kokosfett nicht backen musste. Wie vieles damals war der Kuchen sehr kalorienhaltig, das fand aber niemand schlimm. Hauptsache, es schmeckte!

»Sachsen - Gerichte unserer Kindheit: Rezepte und Geschichten«, Wartberg-Verlag, 128 Seiten, 16,90 Euro

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