Zwischen Risiko und Ruin: Oberstdorf und der Traum von der Hauptstadt des nordischen Wintersports
Wie immer ist Oberstdorf Startort der Vierschanzentournee. Mehr als 40 000 Karten wurden verkauft, allein 15 000 davon für die Qualifikation am Freitag. Auf die 10 000-Einwohner-Stadt warten aber noch größere Herausforderungen: im Januar eine Skiflug-WM und 2021 schließlich die Weltmeisterschaften der Langläufer, Springer und Kombinierer - diese könnte ein noch größeres Finanzdesaster werden als ihr Vorgänger 2005.
Oberstdorf will sich in den kommenden Jahren als Hauptstadt des nordischen Wintersports inszenieren. Die Aussicht auf weltweite Aufmerksamkeit birgt ein großes Risiko: Der damit verbundene finanzielle Kraftakt könnte die schon jetzt angeschlagene Gemeinde an den Rand des Ruins bringen.
Im Bewerbungsprozess hatte Oberstdorf nach zuvor vier vergeblichen Anläufen groß aufgefahren, eine Schar prominenter Fürsprecher und gar eine Gruppe Jodler wurden zur Vergabe im Juni 2016 nach Cancun eingeflogen. Nach der Entscheidung herrschte schiere Euphorie in der deutschen Delegation. »Als WM-Gastgeber wollen wir 2021 dort weitermachen, wo wir 2005 aufgehört haben«, sagte Franz Steinle, Präsident des Deutschen Skiverbands. In und um Oberstdorf vernahm man diese Worte mit Schrecken.
2005 hatten die Weltmeisterschaften zuletzt im Schatten des Nebelhorns gastiert - und sie waren, so schrieb die »SZ«, finanziell »ein solches Desaster für Oberstdorf, dass sich der Wintersportort auf Jahre hinaus nicht davon erholt« habe. Die Gemeinde sei »praktisch pleite« gewesen. Damals waren die Sportstätten für rund 24 Millionen Euro renoviert worden. Für 2021 sah ein erster Entwurf 50 Millionen vor, mit denen die eigentlich hochmoderne Schattenbergschanze und das Langlaufstadion am Ried um- und ausgebaut werden sollten. Die nicht benötigte Heini-Klopfer-Schanze wurde für die Skiflug-WM bereits für 13 Millionen Euro saniert.
Lokalpolitische Kritiker wie die Grünen warfen den WM-Planern »Größenwahn« vor. Schließlich war bei der Bewerbung ein zentrales Argument, dass die nötigen Sportstätten bereits vorhanden sind und nur an aktuelle Vorgaben angepasst werden müssten. Auch die im aktuellen Planungsentwurf erfolgte Kostenreduzierung auf 39 Millionen Euro, die zu mindestens drei Vierteln mit Fördergeldern von Bund und Land gegenfinanziert werden sollen, ließ die kritischen Stimmen nicht verstummen.
Die Finanzen sind aber nur ein Problem, ebenso groß sind die Sorgen beim Faktor Zeit. Noch ist nicht abschließend geklärt, was genau erneuert, erbaut, errichtet werden soll. Eine genaue Planung ist jedoch Voraussetzung, um die dringend benötigten Fördergelder zu erhalten. Und: Die Sportanlagen müssten bereits im Frühjahr 2020 fertiggestellt sein, wenn die Vor-WM als obligatorischer Testlauf im Rahmen des Weltcups ansteht. Agenturen/nd
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