Ohne Druck der Zivilgesellschaft läuft nichts

Ouiry Sanou im Interview über den Widerstand gegen die desaströsen Folgen des Bergbaus in Burkina Faso

  • Franza Drechsel
  • Lesedauer: 5 Min.

Burkina Faso wird traditionell nicht mit Bergbau in Verbindung gebracht wird. Seit 2005 wird von einem so genannte Bergbauboom gesprochen. Wie kam es dazu?

Im Rahmen der vom Internationalen Währungsfonds verordneten Strukturanpassungsprogramme der 1990er Jahre wurden in Burkina Faso trotz großer Proteste Bildung und Gesundheit privatisiert und Landrechte liberalisiert. Auch ein investorenfreundliches Bergbaugesetz kam zustande. Mit den steigenden Weltmarktpreisen wurde es zudem interessanter, in Burkina Faso zu investieren, innerhalb kürzester Zeit gingen industrielle Minen in Produktion. Mittlerweile haben wir zehn aktive Minen, davon eine Zink- und neun Goldminen. Drei sind bereits komplett geschlossen, eine weitere vorläufig. Acht Projekte haben eine Abbaulizenz, davon befinden sich schon drei Minen im Bau und fangen in den nächsten zwei Jahren mit der Produktion an.

Ouiry Sanou

Ouiry Sanou ist langjähriger Aktivist der Organisation Démocratique de la Jeunesse du Burkina Faso, kurz ODJ. Die demokratische Jugendorganisation mit anti-imperialistischer und revolutionärer Orientierung unterstützt unter anderem Anwohner_innen bei ihren Kämpfen gegen die Minen. Über die Auswirkungen des Bergbaubooms in Burkina Faso und die Proteste dagegen sprach mit Ouiry Sanou für »nd« Franza Drechsel.

Was erhofft sich die Regierung von den Minen?

Mit den Versprechen von Arbeitsplätzen und verbesserter Infrastruktur macht sie glauben, Burkina Faso könnte seinen Status als eines der ärmsten Länder weltweit ablegen. Bis jetzt ist das nicht so: »Fortschritt« und »Entwicklung« sind nicht wie versprochen in Erfüllung gegangen. Dennoch hofft die Regierung weiter und vergibt Lizenzen; 2014 waren über vierzig Prozent der Oberfläche unseres Landes Abbau- oder Erkundungslizenzen.

Wie wirken sich die Minen aus?

In Burkina Faso lebt die Mehrheit von Landwirtschaft. Eine Abbaulizenz bedeutet, dass Menschen von ihren Feldern und aus ihren Dörfern vertrieben werden - ohne gerechte Entschädigung und ohne in den Entscheidungsprozess involviert zu sein. Das ist ein großes Problem und dagegen wehren sich viele Anwohner_innen. Generell stellt sich die Frage: Wieso wird so viel Gold - 2016 waren es 38 Tonnen Feingold - exportiert und wir, die Bevölkerung des Landes, werden zugleich immer ärmer?

Gute Frage. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Ja. Obwohl es Steuern und Abgaben für die Unternehmen gibt, zahlen sie nur wenig. 2013 kamen nur 16,6 Prozent der Staatseinnahmen aus dem Bergbausektor. Die kanadischen, russischen und türkischen Unternehmen werden in der Regel für einige Jahre von bestimmten Steuern befreit. 2015 wurde ein neues Bergbaugesetz beschlossen. Das wird nun in Verordnungen umgesetzt. Durch großen Druck der Zivilgesellschaft soll es höhere Abgaben und einen neuen Bergbaufonds für lokale Entwicklung geben. Die Unternehmen wehren sich aber vehement und meinen, weil sie vor der Gesetzesänderung die Verträge abgeschlossen hätten, würden diese für sie nicht gelten. Es ist unglaublich.

Sie sprachen davon, dass sich Anwohner_innen gegen die Unternehmen zur Wehr setzen. Wie sieht das aus?

Grundsätzlich versucht eine Gruppe der demokratischen Jugendorganisation ODJ vor Ort erst mal, die Forderungen der Dorfbevölkerung zu sammeln und an die lokalen Verantwortlichen zu übergeben. Wenn die sich nicht um eine Lösung kümmern, greifen wir je nach Situation zu anderen Mitteln. Dazu gehören unter anderem Demonstrationen, Petitionen, offene Briefe und Sit-ins.

Sind Sie damit erfolgreich?

Meistens sind wir ziemlich viel Repression ausgesetzt. Besonders schlimm war der Fall der semi-industriellen Mine Yagha. Seit 2006 wurde regelmäßig gegen sie protestiert, ODJ war seit 2011 dabei. Damals gab es täglich Verhaftungen. SOMIKA, die burkinische Firma, hatte Privatgefängnisse installiert, in denen es zu Folter kam. Zeitgleich mit den Aufständen gegen Blaise Compaoré gab es 2014 wieder große Demos in Yagha. Dabei wurden fünf unserer Aktivisten erschossen. Die gesamte Provinz hat sich daraufhin auf die Straße begeben und die Polizei und schließlich das Unternehmen vertrieben. Das ist zwar gut, aber es wurde nie jemand zur Rechenschaft gezogen. Stattdessen wurden Strafen gegen unsere Aktivist_innen verhängt. Auch bei anderen Protesten müssen wir immer mit Repressionen rechnen.

Was fordert ODJ, um die Situation langfristig zu verbessern?

Statt einer Werbeveranstaltung für die Mine mit leeren Versprechungen, sollte es im Vorfeld Diskussionen in den Dörfern geben. Es sollte auch möglich sein, sich als Anwohner_innen gegen den Bau einer Mine auszusprechen. Wenn es zum Bau kommt, braucht es eine ausreichende Entschädigung für diejenigen, die von ihren Feldern und aus ihren Häusern vertrieben werden. Das heißt, dass sie nach der Umsiedelung besser oder gleich gut leben - keinesfalls schlechter. Wenn die Mine da ist, soll die Dorfbevölkerung selbst entscheiden, wie das Geld, was in die Kommune fließt, verwendet wird. Nicht zuletzt beschäftigt uns die Frage nach den Auswirkungen auf die Umwelt: Im trockenen Sahel-Klima ist es problematisch, einen Baum zu fällen und keinen neuen zu pflanzen. Auch eine ordentliche Aufbereitung der Tailings, der Rückstände aus der Erzgewinnung, ist ein absolutes Muss, um weiterhin unseren Boden und unser Wasser nutzen zu können.

Und auf nationaler Ebene?

Wir wollen grundsätzlich, dass Burkinabè mehr von den Minen profitieren. Das heißt, das Bergbaugesetz von 2015 muss umgesetzt werden, Unternehmen müssen ihre Steuern zahlen und der Staat seine Rolle ausweiten. Schließlich sind es unsere Ressourcen, derer wir beraubt werden und unsere Regierung macht das einfach mit: Neokolonialismus pur. Das lassen wir uns nicht gefallen!

Gibt es etwas, was Sie sich von Aktivist_innen in Deutschland zur Unterstützung wünschen?

Besonders wichtig ist uns, dass ihr Druck auf eure und die burkinische Regierung ausübt, wenn wir Repressionen erfahren. Denn erst mal finden unsere Kämpfe vor Ort statt, in Burkina. Sollte ich im Gefängnis sein und in Berlin demonstrieren Leute für meine Befreiung, gibt mir das ein Gefühl von Freiheit. Ansonsten freuen wir uns immer über Geld und darüber, wenn ihr uns dabei unterstützt, Informationen von den Behörden zu bekommen. Zwar haben wir als Burkinabè das Recht, Informationen einzusehen, kommen da aber nur schwer ran. Aber auch sonst ist es gut, sich auszutauschen.

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