Rollende Praxis soll helfen

Pilotprojekt in Hessen gegen Landarztmangel vor dem Start

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Bundesweit suchen viele Landärzte im vorgerückten Alter händeringend nach jüngeren Kollegen, die ihre allgemeinmedizinische Praxis weiterführen wollen. Wo diese Suche nicht von Erfolg gekrönt ist, wird vor allem für ältere Menschen im ländlichen Raum der Gang in die Arztpraxis immer beschwerlicher. Die verbliebenen Arztpraxen haben einen immer größeren Radius abzudecken.

Doch die Not macht auch erfinderisch. So will die DB Regio Bus, eine Tochter der Deutschen Bahn, jetzt mit einem eigens konzipierten Angebot einer mobilen Arztpraxis zu einer besseren Versorgung der Fläche beitragen. Anstatt Busse und Taxen zu chartern, um die oftmals gehbehinderten und in ihrer Mobilität eingeschränkten Patienten in die nächstgelegene Arztpraxis zu chauffieren, kommt die Praxis in die entlegensten Dörfer.

Der DB Medibus, so der Name des von Technikern der DB Regio im westfälischen Minden entwickelten Projekts, ist ein zur hochmodernen Praxis für Allgemeinmedizin umgebauter roter 12-Meter-Linienbus. Das Interieur haben pfiffige Fachleute entworfen, darunter ein auf Arztpraxen spezialisierter Innenarchitekt. Technische Ausstattung und Design bieten ausreichend Raum für Arztzimmer, Wartebereich, Labor und WC. Zusätzliche Einrichtungen ermöglichen den Einsatz von Telemedizin. Dadurch kann der Arzt bei Bedarf direkt per Videochat über eine größere räumliche Distanz einen Facharzt kontaktieren. Für nicht deutschsprachige Patienten steht eine Dolmetscherfunktion über die Kommunikationsplattform Skype zur Verfügung.

In Hessen will die Kassenärztliche Vereinigung (KV) jetzt zur Tat schreiten. So soll ab kommendem Frühjahr ein zunächst auf zwei Jahre befristetes Pilotprojekt »MediBus - mobile Arztpraxis« starten. Als Einsatzregion hat die KV den ländlich geprägten Landkreis Hersfeld-Rotenburg ausgesucht. »Der MediBus soll die niedergelassenen Hausärzte da verlässlich unterstützen, wo diese an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen und durch Praxisaufgaben von Kollegen nicht noch mehr Patienten zu ihrem bereits großen Patientenstamm übernehmen können«, so der Vizevorsitzende der KV Hessen, Eckhard Starke. »Wir wollen damit die wohnortnahe Patientenversorgung sicherstellen.«

Der MediBus soll nach den Plänen der KV pro Tag zwei Standorte anfahren. Route und Haltestellen werden mit den Kommunen abgesprochen. Dieses innovative Versorgungsprojekt sei aber keine Alternative zum Hausarzt, sondern »vielmehr eine verlässliche Ergänzung zur Hausarztpraxis am Ort«. Sollte die Erprobung positiv verlaufen, könnte die rollende Praxis auch in anderen Regionen zum Einsatz kommen. Aus Sicht der DB ist der Medibus nicht nur für die ärztliche Versorgung abgelegener Orte tauglich. Er könne auch für Krankenhäuser eine Alternative zur ambulanten Nachversorgung chronisch kranker Patienten darstellen und der Gesundheitsvorsorge dienen, ist Guido Verhoefen, Leiter Marketing und Geschäftsentwicklung bei DB Regio Bus, überzeugt. Auch in der betrieblichen Gesundheitsvorsorge könnten Unternehmen ihren Mitarbeitern den Weg zum Betriebsarzt ersparen und ihnen eine ansprechende Räumlichkeit bieten. »Untersuchungen finden nicht mehr in Pausen- oder Meetingräumen statt, sondern in einer vollausgestatteten Praxis, die hygienisch und komfortabel ist«, so Verhoefen.

Den ersten DB Medibus hatte die Berliner Charité 2016 für die Impfversorgung von Flüchtlingen gechartert. Der dezentrale Einsatz vor den Notunterkünften erfolgte mit Medizinern des Universitätsklinikums. Auch wurde ein Dolmetscherdienst per Video in 50 Sprachen erprobt.

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