- Politik
- Marihuana-Legalisierung
Kalifornien sendet Rauchzeichen
Handel mit Marihuana in weiterem US-Bundesstaat legalisiert / Branche soll bis 2020 auf Umfang von 7 Milliarden Dollar anwachsen
Die Kunden konnten es kaum erwarten. Vor »Urbn Leaf« in San Diego hatte sich vor der Geschäftsöffnung bereits eine lange Schlange gebildet. Mit dem Jahresanfang ist im US-Bundesstaat Kalifornien erstmals der Handel mit Marihuana zu Entspannungszwecken legal. »Das ist verrückt. Wir haben auf viele Menschen gehofft und waren auch darauf vorbereitet«, sagte Will Senn, Mitgründer von »Urbn Leaf«. »Aber damit haben wir nicht gerechnet.«
Kalifornien hofft auf Steuereinnahmen
Es wird erwartet, dass der Handel mit Marihuana zu Entspannungszwecken in den kommenden zwei Jahren in Kalifornien einen Umfang von 7 Milliarden Dollar (5,8 Milliarden Euro/6,8 Milliarden Franken) erreichen wird. Wie es von Seiten des Bundesstaates heißt, könnten dadurch Steuereinnahmen von bis zu 1 Milliarde Dollar entstehen. So wird »Urbn Leaf« in den nächsten Wochen bereits seine dritte Filiale eröffnen. Senn stellt dafür Lieferfahrer und andere Mitarbeiter ein. Zudem verkauft sein Unternehmen nicht nur das Marihuana selbst, sondern auch Lebensmittel wie Schokolade, die mit Marihuana versetzt worden sind.
»Wir können Marihuana innerhalb von 20 Minuten liefern«, erklärt Senn. »Das funktioniert wie mit Pizza.« Am Neujahrstag zählte er bis zum Mittag bereits 350 Kunden. Deutlich mehr als bislang an einem ganzen Tag, als Marihuana lediglich zu medizinischen Zwecken verkauft werden durfte.
Neue Branche entsteht
Marihuana war in Kalifornien seit 1913 verboten. 1996 wurde das Verbot für medizinische Zwecke aufgehoben. Das war ein bedeutender Einschnitt, da zu diesem Zeitpunkt das Interesse an dem Rauschmittel stark zugenommen hat. 2016 entschieden sich 57 Prozent der Stimmberechtigen bei einem Referendum dazu, Anbau, Besitz und Gebrauch für Erwachsene über 21 Jahren zu legalisieren. Die Aufhebung des Handelsverbots wurde durch das Referendum für den 1. Januar 2018 festgelegt.
Die Entwicklung ist Teil eines Trends, durch welchen in den USA eine neue Branche entsteht. So ist der Gebrauch zu Entspannungszwecken bereits in den Staaten Alaska, Colorado, Nevada, Oregon und Washington State legal. In Massachusetts soll dieser Schritt im Sommer erfolgen. In Maine entschied ein entsprechendes Referendum im vergangenen Jahr zwar gegen die Legalisierung, der Gouverneur des Staates hat sich jedoch für ein Veto gegen das Ergebnis entschieden. Nach Angaben von Statista wird in diesen Staaten bis 2020 ein Umsatz von 11,7 Milliarden Dollar durch den Verkauf von Marihuana zu Entspannungszwecken erwartet.
Dabei ist der Handel mit Marihuana nach landesweiten Gesetzen weiterhin illegal. Justizminister Jeff Sessions hatte sich vor seinem Amtsantritt gegen die Branche ausgesprochen. Präsident Donald Trump hat bislang jedoch keine Initiative gegen die Legalisierung in immer mehr Staaten ergriffen.
Schub erwartet
Die Aufhebung des Verbots in Kalifornien könnte nun weitreichende Folgen haben. Einerseits befindet sich die Region Humboldt County in dem Bundesstaat, welche für die hervorragenden Anbaubedingungen bekannt ist. Andererseits ist Kalifornien der einwohnerstärkste Bundesstaat der USA. Bereits jetzt handeln dort 100 Geschäfte mit Marihuana zu Entspannungszwecken, wie Alex Traverso, Sprecher der kalifornischen Behörde Bureau of Cannabis Control, erklärt. Insgesamt hätten jedoch bereits 1400 Läden eine entsprechende Genehmigung durch den Bundesstaat. Ihnen fehlen jedoch noch die Lizenzen, die von Städten vergeben werden.
So fürchten einige Branchenmitglieder auch Probleme wegen der Bürokratie. Andere Beobachter machen sich hingegen mehr Sorgen wegen der Auswirkungen des Marihuanakonsums. So hat sich in Colorado die Anzahl der Verkehrsunfälle, bei denen Marihuana im Spiel war, zwischen 2013 und 2016 verdoppelt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.