NS-Dienststelle für Zwangsarbeit wird Gedenkort
Senat stellt Gelder für Informations- und Begegnungsstätte in der Fontanepromenade in Kreuzberg bereit
Kreuzberg bekommt einen neuen Gedenkort an die Verbrechen des Nationalsozialismus: In dem Haus in der Fontanepromenade 15, in dem sich von 1938 bis 1945 die »Zentrale Dienststelle für Juden« befand, die rund 26 000 jüdische Berliner zur Zwangsarbeit in Privatbetrieben verpflichtete, wird eine Informations-und Begegnungsstätte entstehen.
»Wir freuen uns sehr, dass der Berliner Senat unsere bürgerschaftliche Initiative unterstützt und die nötigen Gelder für die Realisierung eines Gedenkorts in Kreuzberg bereitstellt«, sagt Susanne Willems. Die Historikerin engagiert sich in der Initiative »Gedenkort Fontanepromenade 15«, die sich über ein Jahr lang mit der Historie des Ortes als NS-Täterstätte beschäftigt und Ideen für ein Nutzungskonzept entwickelt hat.
In dem im Dezember vom Abgeordnetenhaus beschlossenen Haushaltsplan für 2018/19 werden rund 100 000 Euro für die Errichtung des Gedenkorts in einem Teil des Gebäudes bereitgestellt. Insbesondere Kultursenator Klaus Lederer (LINKE) hatte sich immer wieder für die finanzielle Ausstattung eines zukünftigen Gedenkorts in der Fontanepromenade starkgemacht.
Der Eigentümer, der Architekt Marc Brune, hatte der Initiative bereits im vergangenen Jahr zugesichert, rund die Hälfte der Grundfläche für die Informations- und Begegnungsstätte zum marktüblichen Mietpreis zur Verfügung zu stellen. Das wären nach bisherigem Stand zwischen 1500 und 2600 Euro Miete im Monat. Der andere Teil des Gebäudes soll für Privatwohnungen und Büroräume genutzt werden. »Das wäre mein Beitrag zur Gedenkarbeit«, zitiert die »Jüdische Allgemeine« Brune.
Damit steht dem Einzug der Initiative nach der für Ende Januar veranschlagten Fertigstellung der Sanierungsarbeiten nichts mehr im Wege. »Wenn alles nach Plan läuft, können wir im Februar die Räume beziehen. Ich bin sehr zuversichtlich«, sagt Historikerin Willems. Auch Lothar Eberhardt, ebenfalls in der Initiative aktiv, geht von einem baldigen Bezug des Hauses aus. »Wir haben die Zusage des Eigentümers«, sagt Eberhardt. Das zukünftige Nutzungskonzept als Gedenkort soll in enger Zusammenarbeit mit der Stiftung Topographie des Terrors erarbeitet werden, die ihrerseits ein neues »Dokumentationszentrum Zwangsarbeit« plant. Durch die Kooperation zwischen der Initiative vor Ort und der Stiftung soll sichergestellt werden, dass die Fontanepromenade in das stadtweite Gedenkstättenkonzept zum Thema Zwangsarbeit einbezogen wird.
Der rot-rot-grüne Koalitionsvertrag sieht perspektivisch die Schaffung einer Stiftung vor, in der alle Gedenkstätten, die sich dem Thema Zwangsarbeit in Berlin widmen und dazu forschen, zusammengefasst werden sollen.
Die bisherigen konzeptionellen Ideen für die Fontanepromenade sehen neben der Einrichtung einer Dauerausstellung auch Raum für wissenschaftliche Recherche und Bildungsangebote wie Zeitzeugengespräche und Lesungen vor. »Für unseren Bezirk und Berlin allgemein ist die Sicherung der Fontanepromenade als Ort des Gedenkens ein wichtiges Anliegen«, sagt Sven Heinemann. Der SPD-Abgeordnete aus Friedrichshain-Kreuzberg setzt sich für geschichtspolitische Projekte im Bezirk ein. Die Initiative »Gedenkort Fontanepromenade 15« hat der Sozialdemokrat seit ihrer Gründung unterstützt.
Dass die Konzeptentwicklung in der Fontanepromenade in Zusammenarbeit mit der Stiftung Topographie des Terrors erfolgt, hält Heinemann für einen wichtigen Beitrag für die Gedenkstättenkultur in Berlin. »Das Miteinander der verschiedenen Institutionen ist entscheidend, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede der unterschiedlichen Orte herauszuarbeiten«, so Heinemann.
Auch der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Johannes Tuchel, hatte sich für die gemeinsame Erarbeitung eines Konzepts für die Fontanepromenade ausgesprochen. »Die besondere Bedeutung des Ortes liegt in der Organisation der Zwangsarbeit von Juden zwischen 1938 und 1945«, hatte Tuchel in einer Stellungnahme geschrieben. Dieses Alleinstellungsmerkmal müsse deutlich werden.
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